Bessell
Foto: Helge Tscharn

Johannes Bessell – Laufen mit Plexusparese

Wer die Arme richtig einsetzt, verbessert seinen Laufstil und wird im Idealfall sogar schneller. Allerdings kann man auch pfeilschnell sein, wenn man ein Körperteil aufgrund eines Handicaps nicht optimal nutzen kann: so wie Para-Athlet Johannes Bessell.

Welche Bedeutung haben unsere Arme beim Laufen?

Für einen effizienten Laufstil ist die Armbewegung von enormer Bedeutung. Das kann man mit einem simplen Selbstversuch veranschaulichen: Wer die Arme beim Laufen schlaff nach unten hängen lässt, wird schon nach einem Kilometer keine Lust mehr aufs Joggen haben. Die Arme sind beim Laufen „über Kreuz“ mit den Beinen verknüpft. Der rechte Arm und das linke Bein bewegen sich immer gleichzeitig in dieselbe Richtung und vice versa. Das bedeutet, dass wir unsere Beinbewegung in gewisser Weise mit unseren Armen steuern. Schwingst du deine Arme zügig vor und zurück, dann bewegen sich auch deine Beine schneller. Auch das kann wieder in einem Selbstversuch erprobt werden: Versuch doch mal, deine Arme beim Laufen schneller oder langsamer zu bewegen als deine Beine. Funktioniert nicht!

Johannes Bessell ist schnellster Para-Athlet Deutschlands

Doch auch mit einer dauerhaften Lähmung des Arms kann man auf einem sehr hohen Leistungsniveau laufen. Johannes Bessell, der kindliche Plexusparese hat, bewies das bei der Leichtathletik Para-WM 2019 in Dubai eindrucksvoll. Im Gespräch mit AktivLaufen erzählte er stolz von seiner Debüt-Teilnahme, wo er auf der 1.500-Meter-Distanz nicht nur seine persönliche Bestleistung aufgestellt hat, sondern in 4:11,00 Minuten auch deutschen Rekord gelaufen ist. Das entspricht einer Pace von 2:47 Minuten pro Kilometer – eine Geschwindigkeit, die das Gros der Hobby- und Freizeitathleten vielleicht so eben über 400 Meter halten könnten.

Der Traum von Bessell platzt

Fast jeder Leichtathlet träumt von einer Teilnahme bei den Olympischen Spielen. Das ist natürlich auch Bessells anvisiertes Ziel: Er wollte bei den Paralympischen Spielen in Tokio 2020 dabei sein. Allerdings musste der Marathon-Debütant der langen Distanz Tribut zollen: Bei seinen ersten 42,195 Kilometern, dem S7-Marathon in Österreich, erreicht Bessell nicht die geforderte Qualifikationszeit. Mit 2:52 Stunden blieb der Wahl-Kölner zwar unter der für so viele Hobby-Athleten magischen Barriere von drei Stunden – die Olympia-Norm von 2:38 Stunden verfehlt der Para-Athlet jedoch deutlich.

Doch Bessell ist niemand, der Trübsal bläst: „Ich war superzufrieden mit der Zeit. Für den ersten Marathon war das eine solide Performance, obwohl ich während des Wettkampfs echt richtig gelitten habe!“ Der gehandicapte Läufer wollte bei einem zweiten Versuch die Norm in Angriff nehmen, allerdings wurde Bessell durch ein Ödem am Fuß ausgebremst. Der Traum von Tokio platzte. Zudem musste der Para-Athlet eine weitere bittere Pille schlucken: Die Marathon-Distanz in Bessells „Klasse“ ist fortan nicht mehr olympisch.

Ironie des Schicksals

Mit dem Wegfall des paralympischen Marathons blieb Bessell bloß eine „lange“ Distanz: 1.500 Meter. Die Krux? „Beim Wechsel von der Kurz- auf die Langstrecke verliert man extrem an Schnelligkeit. Die Spritzigkeit geht total flöten, weil man Tempo-Einheiten gegen ruhige und längere Dauerläufe eintauscht. Die Kunst liegt also jetzt darin, an mein altes Leistungsniveau anzuknüpfen“, erläuterte der Para-Athlet. Wir sind gespannt, ob sich Bessell in dieser Disziplin für Paris 2024 qualifizieren kann. (Text: Robin Siegert)

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