Kettlebell-Training: Muskelpower

Für Läufer ist Krafttraining oft ein Kraftakt und wird deshalb gerne vernachlässigt – zu zeitaufwendig und unbeliebt sind die Übungen. Kettlebell-Workouts hingegen sind kurz und knackig – der Effekt ist immens.

Läufer wollen laufen, auch gerne lange, um den Körper fit zu halten und sich auszupowern. Wozu also noch Krafttraining? Spätestens beim Training für einen längeren Lauf, Halbmarathon oder Marathon wird einem klar, warum die Experten immer von „Stabi-Übungen“ und ähnlichem sprechen. Der Körper, insbesondere der Rumpf, macht sich bemerkbar, schludert der Ausdauerathlet bei den zusätzlichen Übungen für die Stabilität des Rumpfes und des Bewegungsapparates. Der Rücken schmerzt, die Hüfte wirkt unbeweglicher, der gesamte Bewegungsapparat ist überlastet, die Muskeln melden sich. Abhilfe schafft während einer intensiven Trainingsphase, gerade vor einem Marathon, gezieltes Krafttraining.

Und hier kommen in dieser Ausgabe von aktiv Laufen die Kettlebells ins Spiel. Viele der Übungen mit den „Kessel“- Gewichten beanspruchen sämtliche Muskelpartien des Körpers und ergänzen somit einige der bekannten „Platzhirsche“ Liegestütz oder Klimmzug. Dabei wird vor allem die Rumpfvorder- und Rückseite beansprucht und bringt somit für Ausdauersportler die nötige Stabilität. Ein weiterer Vorteil: Mit nur 15 Minuten intensivem Workout hat man alle wichtigen Muskelgruppen trainiert.

Kettlebell-Training ist äußerst effektiv und macht den ganzen Körper extrem fit. Im Gegensatz zum Training an Geräten und Maschinen werden die Muskeln nicht isoliert trainiert, sondern integriert beansprucht. Die mehrgelenkigen Übungen aktivieren stets viele Muskelgruppen und -schlingen gleichzeitig, wobei vor allem die wichtigen kleinen Stabilisationsmuskeln gestärkt werden. Nahezu jede Übung stellt eine Ganzkörperübung dar und fördert somit das funktionelle Zusammenspiel verschiedener Muskeln über mehrere Gelenke hinweg. Die Ergebnisse äußern sich in einer besseren Beweglichkeit sowie einer besseren Kraftübertragung.

Kräftiges Herz und außergewöhnliche Ausdauer

Kettlebells bieten sich aufgrund ihrer Form vor allem für ballistisches Training oder Schwungübungen an. Ketllebelltraining ist weltweit bekannt für seinen enormen Effekt auf die Leistungsentwicklung des Herz-Kreislauf-Systems. In diesem Abschnitt erkläre ich Ihnen deshalb, wie Sie ein gezieltes Ausdauertraining mit Kettlebells beginnen können. Das Herz ist der geborene Ausdauermuskel. Im Gegensatz zur Skelettmuskulatur ist es ununterbrochen aktiv. Deshalb stellen die Mitochondrien (Kraftwerke des Körpers) bis zu 30 Prozent des Gesamtzellvolumens des Herzens.

Beim Skelettmuskel sind es je nach Ausdauertrainingszustand nur fünf bis zehn Prozent. Wenn Sie ein sehr kräftiges Herz und eine bessere Körperzusammensetzung (mehr Muskel- und weniger Fettmasse) haben wollen, sollten Sie nicht versuchen, die Dauer Ihres Ausdauertrainings zu verlängern, sobald Sie leistungsfähiger werden. Im Gegenteil: Sie sollten das Herz dazu bringen, in kurzer Zeit eine größere Blutmenge schneller zu den Muskeln zu befördern. Wenn Sie leistungsfähiger, also ausdauernder werden, sollten Sie demnach eher die Dauer des Trainings verkürzen, aber dafür die Intensität der Belastung erhöhen. Verglichen mit Laufen oder Radfahren schaffen Sie somit die gleiche Strecke in kürzerer Zeit. Voraussetzung ist natürlich, dass Sie sich vorher eine gewisse Grundlagenausdauer beziehungsweise Grundlagenfitness aufgebaut haben.

Von Kraftprotzen und starken Männern

Der Ausdruck „Kettlebell“ stammt aus dem Englischen und bezeichnet – einfach ausgedrückt – Eisenkugeln mit einem Handgriff. Früher nannte man die Kettlebells im Deutschen auch Rundgewichte oder Kugelhanteln. Im Russischen heißen sie Giri, in der Einzahl Girya. Die spezielle Form der Kettlebell erlaubt eine Vielzahl von Übungen, die den ganzen Körper trainieren, und zwar in den Bereichen Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit und Beweglichkeit. Kettlebells werden in unterschiedlichen Größen und Gewichtsklassen zwischen vier und 64 Kilogramm angeboten – vereinzelt auch mehr. Die Gewichtsabstufung in 4-Kilogramm-Schritten leitet sich von der russischen Gewichtseinheit „Pud“ ab. Ein Pud entspricht 16 Kilogramm.

Die Ursprünge des Kettlebelltrainings sind nicht genau bekannt. Mit Kugelhanteln beziehungsweise ähnlichen Gewichten wurde wahrscheinlich schon in China vor circa 5.500 bis 6.000 Jahren trainiert. Bekannt ist, dass sie um 1700 herum von Griechenland ausgehend nach Russland gekommen sind, wo sie zunächst zum Wiegen von Getreide und anderen Gütern verwendet wurden. Am Ende des Markttages begannen die Bauern, die Eisenkugeln zu schwingen und zu heben, um ihre Kraft zu demonstrieren, und fanden dabei schnell heraus, dass sich das auch positiv auf die Gesundheit auswirkte.

Weiterhin führten russische Kraftsportler verschiedene Übungen bei Veranstaltungen und Zirkusvorstellungen vor. Später wurde das Kettlebelltraining in das militärische Training integriert. Im Militär trainieren sämtliche Einheiten und Spezialeinheiten, wie zum Beispiel die Speznas, damit. Aufgrund der enormen Effektivität ist es dort seit Jahrzehnten eine der Standardtrainingsmethoden. In der Nationalen Volksarmee (NVA) der ehemaligen DDR wurden Kugelhanteln ebenfalls im Training der Soldaten eingesetzt. Auch Athleten, die sich für die schottischen Highland Games fit machen, schätzen schon lange die Vorteile von Kettlebells: Das Training ist kurz und sehr intensiv.

 

Text: Til Sukopp, aus aktivLaufen 6/18

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