Foto: Getty Images, Christian Bruneß

Laufschuhkauf im Internet

Viele Onlineshops locken Läufer mit großzügigen Rabatten und einer breiten Modell-Auswahl. Eine klassische Laufanalyse auf dem Laufband kann dabei nicht durchgeführt werden. Einige Onlineshops haben deshalb eigene Beratungsangebote entwickelt.

Der Weg zu einem neuen Laufschuh dauert heutzutage nur noch Bruchteile von Sekunden. 0,47 Sekunden um genau zu sein. In dieser Zeit hat mir die Suchmaschine 1.940.000 Ergebnisse zu den Suchbegriffen „Laufschuhe online“ aufgelistet. Natürlich sind nicht alle diese Seiten Onlineshops mit großem Laufschuhsortiment, aber es gibt eine Vielzahl von Anbietern, die sich auf den Laufschuhmarkt spezialisiert haben, darunter die Webseiten Jogging-Point, 21run, Runners Point und Shop4Runners. Eins ist von vornherein klar: Eine persönliche Beratung, wie man sie aus dem Fachhandel kennt, fällt weg – das liegt in der Natur der Sache. Das ist oftmals auch eines der Hauptargumente gegen den Kauf von Laufschuhen im Internet. Ohne die Beratung vor Ort, ohne das Anprobieren und Testlaufen von unterschiedlichen Marken und Modellen ist es schwer zu wissen, welcher Schuh der Richtige ist. Der Online-Handel scheint auf diese Vorbehalte einzugehen und bietet mittlerweile vermehrt online-gestützte Laufberatungen an. Diese ist mal mehr, mal weniger komplex, in der Regel aber kostenlos. Meine Neugierde ist geweckt und der Selbstversuch kann losgehen.

Die Anbieter im Test

Ich gehe folgendermaßen vor: Gesucht wird der preisgünstigste Laufschuh, der laut der Online- Beratung am besten zu meinen körperlichen Voraussetzungen und Laufgewohnheiten passt. Dazu nutze ich das jeweilige Beratungsangebot nach bestem Wissen und Gewissen und stelle jeweils eine Nachfrage per Email. Los geht´s bei Runners Point. In der Menüleiste auf „Beratung“ geklickt und schon ist man da. „Service der besonderen Art: Mit dem Laufschuhberater zum perfekten Schuhwerk“ lautet die Überschrift und verspricht einiges. Die Beratung findet in fünf Schritten statt. Nach den einfacheren Kategorien Geschlecht und Gewicht wird es etwas komplizierter: Gefragt ist der Fußtyp. Ob man einen Hohlfuß, Normalfuß, Senkfuß oder Knickfuß hat, kann man anhand eines Tests ermitteln, der in einem kurzen, einminütigen Video erklärt wird. Dann geht es um die Beinachse. Auch hier erklärt ein Video, ob man zu O- oder X-Beinen neigt. Im letzten Schritt wird geschaut, wie sich die Beinachse in der Bewegung verhält. Dieser Test ist nicht ganz einfach auszuführen und es empfiehlt sich, eine zweite Person zu Hilfe zu ziehen. Am Ende dieses etwa zehnminütigen Vorgangs werden passende Vorschläge präsentiert. Bei mir waren es 61 vermeintlich passende Modelle. Diese habe ich nach Kundenbewertungen sortiert und den beliebtesten Schuh ausgewählt: Der „Adidas Ultra Boost“. Ein gut gedämpfter Neutralschuh also. Meine Nachfrage per Email, ob dieser Schuh auch Marathon-tauglich sei, wird nach drei Tagen beantwortet. Aber leider nur insofern, als dass man diese Frage leider nicht beantworten könne und auf eine der Runners Point-Filialen verweist.

Topseller und Schuh-matches

Der nächste Shop ist 21run. Hier suche ich zunächst vergeblich nach eine Schuhberatung. Ich gelange auf eine Seite, auf der verschiedene Schuhtypen beschrieben werden. Unterschieden wird in Überpronations-, Neutral-, Barfuß-, Trailrunning-, Lightweight-, und Wettkampf- Schuhe sowie Leichtathletik-Spikes. Jede dieser Kategorien wird in wenigen Worten beschrieben. Eine individuelle bzw. interaktive Beratung gibt es bei 21run nicht, weshalb eine Beratung nicht stattfindet. Eher werden allgemeine Hinweise gegeben. Ich wähle „Neutralschuhe“ und bekomme 254 Artikel vorgeschlagen. Eine unübersichtlich hohe Zahl. Was tun? Ich sortiere die Schuhe nach Topseller und schlage zu: Da, der Topseller! Um sage und schreibe 68 Prozent reduziert. Es handelt sich um den Krom MTX des mir bis dato unbekannten Herstellers max-Q.com. Meine Nachfrage zum Schuh wird nach 10 Tagen beantwortet. Der Krom MTX ist interessant. Wasserdicht, 360 Grad reflektierend, gut gedämpft. In einem stationären Geschäft, wäre mir dieser Schuh wohl kaum über den Weg gelaufen. Jogging-Point ist der dritte Shop, den ich besuche. Auch hier: Gleich auf der Startseite wird auf den Laufschuh-Berater hingewiesen. Nacheinander werden abgefragt: das Geschlecht, Alter, Gewicht, das Laufpensum, der Laufuntergrund, die Fußform, der Fußaufsatz (Vorfuß-, Mittelfuß, Ferse) und die Beinachse. Das Ganze geht sehr schnell. Sehr knappe Hinweise und Grafiken erklären, wie man die Selbsteinschätzung durchzuführen hat – für Neulinge, die noch nie etwas von Fußaufsatz oder Beinachse gehört haben, sicherlich keine leichte Aufgabe. Im Ergebnis werden mir drei Schuhe vorgeschlagen, jeweils mit einer Match-Zahl. Ich nehme den Schuh, der offenbar am besten zu mir passt, nämlich mit 98 Prozent. Zusätzlich ist der Schuh auch noch um zehn Prozent reduziert. Es ist der „Nike Zoom Fly“. Ich stelle per Email eine Nachfrage, ob dieser Schuh auch für einen Marathon geeignet sei und bekomme innerhalb von wenigen Stunden eine Antwort.

Per Videoanalyse zum Schuh

Shop4Runners steht als letztes auf der Liste. Hier wird gleich auf der Startseite die „Online- Fachberatung“ angeboten. Klingt gut! Es handelt sich um eine Online-Laufanalyse, die 29,95 Euro kosten soll und „professionelle Beratung, individuelle Laufschuhempfehlung und eine sportwissenschaftliche Auswertung“ verspricht. Dazu fülle ich ein Formular aus, beschreibe meine Laufgewohnheiten, meine Ziele und meine bisherigen Schuhe – und werde dann aufgefordert mit dem Smartphone Bild- und Videoaufnahmen zu machen. Also: Schuhe und Socken aus, die Hose hochgekrempelt, die skeptisch dreinblickende Kollegin vom Nebentisch um Hilfe gebeten und fünf Meter barfuß den Flur entlang gejoggt und wieder zurück. Im Anschluss habe ich noch zwei Fotos von meiner Fußstellung gemacht. Gespannt auf das Ergebnis schicke ich die gesammelten Werke ab. Das Ergebnis soll nach maximal drei Tagen da sein. Nach zwei Tagen erhalte ich eine Email. Man könne das Video nicht öffnen, ob ich es auf einem anderen Wege schicken kann. Kann ich. Nach einer weiteren Woche erhalte ich ein zwölfseitiges PDF-Dokument von einer Sport- und Fitnesstrainerin mit meiner Auswertung, zwei Schuhempfehlungen und Tipps zu Ergänzungsübungen. Die Auswertung wirkt professionell und handfest und arbeitet mit Standbildern meiner Videoaufnahme. Das Ergebnis gleicht den bisherigen: Ich benötige einen Neutralschuh. Vorgeschlagen werden der „Brooks Adrenaline GTS 18“ und der „Saucony Kinvara 9“.

Gut beraten im Onlineshop?

Am Ende meiner kleinen Einkaufstour stelle ich fest: Qualitativ unterscheiden sich die Beratungsmodelle zum Teil stark voneinander. Das hängt auch davon ab, ob man bereit ist, wie bei Shop4Runners, Geld zu bezahlen. Begnügt sich der eine Anbieter mit stichwortartigen Beschreibungen von Schuhtypen (21run), bietet ein anderer eine per Video angeleitete Befragung durch. Zu den Schuhen, die mir empfohlen wurden: Es war immer ein Neutralschuh. Hier stimmen sich die Beratungstools also überein. Wird die Online-Beratung von den Kunden angenommen? Ronny Okwieka, von Shop4Runners, gibt Auskunft: „Die Online-Laufanalyse wird in der Tat recht selten genutzt.“ Auf alle Verkäufe gerechnet wären es deutlich weniger als ein Prozent der Kunden, so Okwieka. Sind die Online-Beratungen ratsam? Es kommt darauf an. Einem Laufanfänger ist eher die persönliche Beratung bei einem Fachhändler zu empfehlen. Ein erfahrener Läufer kann die Online-Beratung dazu nutzen, die vielen Schuhe vor zu sortieren, um dann, unter Umständen, auch mal ein Schnäppchen zu machen.

Online vs. stationärer Handel?

Stimmt es denn, dass der Online-Handel den Fachhandel kaputt macht, wie man allerorten hört? Das könne man so nicht bestätigen, sagt Martin Lüchtefeld vom Laufladen Bunert in Köln. „Auf die ganze Online-Geschichte haben wir reagiert, indem wir auf unseren Flächen noch viel besser geworden sind, als wir vor zwölf oder dreizehn Jahren waren.“ Neben den Laufschuhen bietet sein Geschäft nun auch Getränke, Toiletten, Parkplätze und einen regelmäßigen Lauftreff an. „Ich bin ein absoluter Fan des stationären Handels und wir sind da auch sehr erfolgreich mit. Der Umsatz ist heute fünfmal höher wie vor zwölf Jahren“, so der Kölner Ladenbesitzer. Man würde der Zukunft sehr optimistisch entgegensehen, fügt er hinzu. Gibt es Kunden, die sich im Laden beraten lassen, um anschließend im Internet zu kaufen? Das komme selten vor, sagt Lüchtefeld. Und einige der Schuhe seien im Internet nur schwer zu kriegen. Als Beispiel wird Brooks genannt. Woran liegt das? Ich habe bei Lara Hasagic, Marketing Managerin bei Brooks, nachgefragt. „Brooks verfolgt seit drei Jahren eine selektive Distribution, um den stationären Handel zu unterstützen. Das heißt, pure Online-Händler werden nicht beliefert“, erklärt sie. Ein Aspekt wird dadurch sichergestellt: Die Kundenzufriedenheit. „Wir empfehlen immer eine professionelle Beratung durch unsere Händler, um sicherzustellen, dass man auch den richtigen Schuh für seinen perfekten Lauf findet“, so Hasagic. Auf die individuelle Beratung im Fachhandel sollten Läufer also nicht verzichten. Trotz Digitalisierung und vermeintlicher Schnäppchen.

Text: Christian Bruneß

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