
Dein erster Marathon
In den letzten Jahren hielt sich die Anzahl an Marathon-Läufern in Deutschland konstant bei knapp 60.000 Athleten. Du möchtest dich bald dazuzählen? Dann haben wir in diesem Artikel die besten Tipps und Trainingsempfehlungen für die berühmt-berüchtigten 42,195 Kilometer.
Eine Gruppe von Männern, ein paar alkoholische Kaltgetränke und eine dumme Wette – nein, das ist nicht die Geschichte, wie ich zum Marathon gekommen bin. Aber es ist tatsächlich oft der Grund, weshalb Menschen die 42,195 Kilometer in Angriff nehmen. Der Beweis, einen Marathon ohne große Lauf-Erfahrung absolvieren zu können, ist weder glorreich noch clever. Ganz im Gegenteil: Einen Marathon aus der Lamäng zu laufen, ist naiv und gesundheitsschädlich.
Was steckt hinter der Faszination „Marathon“?
Was stiftet Menschen immer wieder dazu an, eine Distanz, die „Normalbürger“ höchstens mit dem Fahrrad zurücklegen, laufen zu wollen? Und wieso haben sich die 42,195 Kilometer mittlerweile zur gesellschaftlichen Mutprobe entwickelt?
Seinerzeit verfügte ich als Fußball-Rentner bereits über eine gewisse Fitness. Meinen ersten Halbmarathon absolvierte ich auf dem Laufband. Mir fehlte leider der notwendige Orientierungssinn, mich in meiner Heimatstadt 21 Kilometer lang zurechtzufinden. Eine Lauf-Uhr besaß ich zu dem Zeitpunkt nicht, ergo konnte ich mir auch keine Route basteln und mich von einem technischen Hilfsmittel navigieren lassen. Der Grund, weshalb ich einen Halbmarathon überhaupt laufen wollte?
Tja, das war sicherlich auch eine Schnapsidee: Nur wenige Monate zuvor lief mein Vater seine ersten 21 Kilometer in Berlin. Das weckte meinen Ehrgeiz – was mein alter Herr kann, kann ich schon lange. Und besser. Letzteres war tatsächlich nicht der Fall. Zu meiner Verteidigung: Der Zusammenhang zwischen Pace und Distanz war mir nicht bewusst. Ich lief auf dem Band in einem Tempo, was ich auch garantiert durchhalten konnte. Nach dieser Aktion fasste mich das Lauffieber – es folgten mehrere „10er“ und „Halbe“ – immer mit dem Ziel vor Augen, eine neue Bestzeit zu laufen – bevor ich 2014 beim Marathon in Köln an der Startlinie stand.
Von Ehrgeiz getrieben, mir selbst etwas beweisen zu wollen und meinen inneren Lauf-Schweinehund für immer verstummen zu lassen, meldete ich also für die Königsdisziplin des Ausdauersports. Diese Beweggründe treffen sicherlich für die meisten Marathon-Neulinge zu – zusätzlich wird die Begeisterung für die 42,195 Kilometer aber auch durch Social Media getrieben: Bekannte Persönlichkeiten der Laufwelt und „Runfluencer“ nutzen soziale Medien, um andere zu inspirieren und zu motivieren, sich der Herausforderung der Langdistanz zu stellen.
Mythos Marathon
Es wirkt paradox: Wir wollen einer Distanz hinterherjagen, auf der der erste Mensch zu Tode gekommen ist. Der Vater aller Marathonläufer ist der Grieche Pheidippides. Im Jahre 490 v. Chr. wurden die Athener von den Persern angegriffen. Um bei den Spartanern um Hilfe gegen die persische Übermacht zu bitten, wurde Pheidippides entsandt, welcher von Athen nach Sparta und wieder zurück lief – in Summe 490 Kilometer! Als die Griechen überraschend siegten, wurde Pheidippides wieder losgeschickt: Abermals nahm der Bote seine Beine in die Hand und lief 40 Kilometer von Marathon nach Athen. Bevor er auf dem Marktplatz tot zusammenbrach, konnte er zum Glück noch die Siegesbotschaft übermitteln.
Von der heroischen Legende des laufenden Boten inspiriert, fand auf der gleichen Strecke bei den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit (1896) ein Wettrennen über 40 Kilometer statt. Olympiasieger wurde der Grieche Spiridon Louis in 2:58 Stunden – inklusive einer Weinpause in einer Taverne. In den folgenden Jahren wurde die Marathonstrecke nur „pi mal Daumen“ ausgemessen – bis das Laufspektakel 1908 in England stattfand. Auf Wunsch des Königshauses sollte der Marathon am Schloss Windsor starten und vor der königlichen Loge im Stadion enden. Und diese Verlängerung ist der Grund, weshalb wir heute exakt 42,195 Kilometer laufen „müssen“ – und auch, warum sich englische Marathonis heute noch kurz vor dem Ziel mit einem „God save the Queen“ oder mittlerweile „God save the King“ für die zusätzlichen harten Meter bedanken.
Genug der Geschichte und der Fun Facts – kommen wir zum Eingemachten. Zukünftige Marathon-Protagonisten brauchen für ihr Traumziel ähnliche Eigenschaften, auf deren Suche die drei Hauptdarsteller im „Der Zauberer von Oz“ sind: Verstand, Herz und Mut.
Motor des Lebens
Dein Herz schlägt etwa 100.000-mal pro Tag, wobei es rund 7.200 Liter Blut durch deine Kapillaren pumpt. So werden alle Organe mit ausreichend Sauerstoff versorgt. Und davon brauchen wir beim Marathon reichlich. Denn ohne O2 geht nicht nur uns, sondern auch unserer Muskulatur buchstäblich die Luft aus.
Das Grundlagenausdauer-Training (GA 1) ist die Basis deiner Ausdauerleistung – du benötigst ein solides Fundament, um deine Performance darauf aufbauen zu können. Wie der Name es bereits verrät, kannst du weiter und länger laufen, je mehr Grundlagenausdauer du besitzt. Zudem kannst du erfolgreicher an den spezifischen Marathon-Einheiten arbeiten, wenn du eine solide Ausdauer-Basis hast.

Einer Person werden die meisten Marathon-Läufer sicherlich schon mal begegnet sein: dem gefürchteten „Mann mit dem Hammer“. Er bezeichnet den plötzlichen Leistungseinbruch infolge eines Kohlenhydratmangels. Gelegentlich wird das Phänomen auch als „vor die Wand laufen“ („Hitting the wall“ oder als „Hungerast“ bezeichnet.
Diese Begegnung lässt sich allerdings vermeiden oder zumindest verzögern. Das GA-1-Training optimiert deinen Stoff- und Energiewechsel. Je besser deine Ausdauerleistung, umso länger kannst du deine Energie aerob – also mithilfe von Sauerstoff – gewinnen. Zudem greifst du während des Laufens dann zu einem besseren Mix aus Kohlenhydraten und Fetten: Je mehr Fette verbrannt werden, desto länger werden die wertvollen Kohlenhydratspeicher geschont. Du solltest daher 80 Prozent deiner Läufe im Grundlagenausdauerbereich 1 absolvieren. Dazu zählt insbesondere der lange Lauf („Longrun“) und natürlich deine lockeren Dauerläufe.
Bauch, Beine, Po – mehr Kraft, mehr Leistung
Es wird dir sicherlich aus den Ohren rausquellen, aber ich werde nicht müde, es immer wieder zu erwähnen. Krafttraining gehört zum Laufen dazu, wie die Luft zum Atmen. Neben einer ausdauernden Bewegungsmuskulatur solltest du auch über ausreichend Rumpf-Stabilisation verfügen. Denn die Körpermitte – der sogenannte „Core“ – umfasst die haltungsrelevanten Muskeln. Also die tieferliegenden Muskeln, die Einfluss auf das Skelett und somit auf die Stand- und Gangsicherheit haben.
Zu diesen enorm wichtigen Muskeln zählen die Rücken-, die Bauch- sowie die Hüftmuskulatur: Sie unterstützen dich dabei, eine aufrechte Haltung zu wahren, Energie zu übertragen und die Gleichgewichtsbelastung von deinen Beinen auf deinen Körper zu verteilen.
Als Marathon-Läufer brauchst du also zwingend einen kraftvollen Core, um deine Laufform auch über die volle Distanz aufrecht halten zu können. Kann sich dein Körper ausschließlich auf das Laufen konzentrieren, verschwendet er auch weniger Energie, dich in einer aufrechten Position zu halten – Energie, die deinem Bewegungsapparat dann auch noch in der letzten Phase des Marathons zur Verfügung steht.
Unterarmstütz, Seitstütz, Crunches und Co. sind also mindestens genauso wichtig wie Kniebeugen mit höherem Gewicht – all diese Übungen trainieren die laufspezifische Muskulatur.
Gerade Marathon-Läufer und alle, die es werden wollen, müssen sich ihre verfügbare Zeit gut einteilen. Wer Lust und Zeit hat, sollte zweimal pro Woche ins Gym gehen und dort mit hohen Gewichten trainieren. Wer hingegen kein „Eisen beißen“ möchte, sollte zumindest zwei- bis dreimal wöchentlich ein Athletik-Training in den eigenen vier Wänden absolvieren. Als Faustregel für Krafttraining gilt: „Trainiere immer spezifisch!“ Der Fokus liegt auf dem Laufen, deshalb solltest du deine Running- auch immer vor den Kraft-Workouts absolvieren, um die Ausdauer-Einheiten ohne Vorbelastung absolvieren zu können.
Der Kopf macht den Unterschied
Zum Marathon gehört nicht nur das Bolzen der Kondition – die 42,195 Kilometer erfordern auch mentale Stärke. So ein großes Rennen entscheidet sich bereits in der Vorbereitung. Schon während der Trainingsphase, vor allem auf den Longruns, lernst du, was im Wettkampf auf dich zukommt.
Die ersten langen Lauf-Einheiten werden einschüchternd wirken. Bis zu drei Stunden auf den Beinen zu sein? Dafür musst du entsprechend gerüstet sein. Musik, Podcasts oder Hörbücher können die oftmals monotonen Longruns abwechslungsreich gestalten und häufig auch von den noch zu laufenden Kilometern ablenken.
Zudem hilft es, nicht die Gesamt-Distanz zu betrachten. Vielmehr solltest du sowohl lange Trainingsläufe als auch Marathon in „snackable“ Abschnitte einteilen. Das sind kurze Distanzen, mit denen du körperlich und mental gut zurechtkommst. Die meisten erfahrenen Läufer werden einen Marathon in 10-Kilometer-Abschnitte einteilen. Die Rechnung geht auf, denn „viermal zehn“ klingt deutlich schaffbarer als „achtmal fünf“ oder „zweimal 21“. Bei „achtmal fünf“ könnte die Anzahl der Wiederholungen zu hoch sein; bei „zweimal 21“ die Anzahl der noch zu laufenden Kilometer.
Im Wettkampf hilft dir die Visualisierungsmethode. Indem du dir deine Ziele so detailliert wie möglich visualisierst – und dir die mit dem Erreichen dieser Ziele erwarteten positiven Emotionen so lebhaft wie möglich vorstellst – beeinflusst du dein Unterbewusstsein dahingehend, dass es die Umsetzung der Vorstellung als etwas Positives und Erstrebenswertes betrachtet. Du erhöhst damit deine Motivations- und Leidensfähigkeit.
Nie aufstecken!
Lass dich von Rückschlägen nicht entmutigen – weder im Training noch im Wettkampf. Ein verpasstes Lauftraining ist kein Beinbruch, solange du nicht all deine Schlüsseleinheiten schwänzt. Ebenso wenig ist ein Zwicken in der Hüfte nach Kilometer 30 beim Marathon kein Weltuntergang. Das bedeutet natürlich keineswegs, dass du Schmerzen ignorieren solltest. Im Gegenteil: Du solltest sie wahrnehmen und im Auge behalten, aber dich keinesfalls daran aufhängen und dich in einen Negativ-Strudel ziehen lassen. Gibst du negativen Gedanken erstmals freien Lauf, ist Kampf gegen den Kopf meist schon verloren.
Und besonders wichtig: Ein DNF („Did not finish“) ist keine Schande und nichts, weshalb man sich schämen muss. Man erwischt halt eben mal einen schlechten Tag – gerade beim ersten Marathon kann viel schiefgehen, weil man Grenzen überschreitet und in unbekannte Sphären vorstößt. Es gibt Dinge, die man weder beeinflussen noch trainieren kann. Mund abputzen und beim nächsten Versuch wieder voll angreifen.
Erfolg geht durch den Magen
Triathleten sprechen bei der Ernährung von der vierten Disziplin, die man beherrschen muss. Zurecht: Erfolg geht durch den Magen – das gilt für alle langen Ausdauerleistungen, zu denen natürlich auch der Marathon zählt.
Leider ist Ernährung sehr individuell und komplex, weshalb wir uns dem Themenkomplex in der aktivLaufen auch immer wieder separat widmen. An dieser Stelle sei aus Platzgründen bloß erwähnt, dass die Verpflegung während eines Marathons konstant sein und geübt werden muss. Der Griff zu Bananen, unbekannten Energie-Gels oder zu Softdrinks kann den Magen beim Laufen verstimmen und das Rennen vorzeitig in die Hose gehen lassen. Aus diesem Grund solltest du deine Verpflegung während deiner Longruns testen und bewährte Energielieferanten auch im Wettkampf nutzen.
Das gilt auch für die Flüssigkeitsaufnahme: Beim Laufen einen Becher zu greifen und vor allem daraus zu trinken, ist eine Herausforderung. Kann man üben, muss man aber nicht. Einsteiger sind besser beraten, das Wasser im zügigen Gehen entgegenzunehmen und es in Ruhe zu trinken. Bitte achte unbedingt darauf, nicht direkt am Anfang einer Verpflegungsstelle stehen zu bleiben – auch Läufer hinter dir möchten ungehindert zum Becher greifen.
You got this!
Du hast hart und diszipliniert trainiert – jetzt steht der Race Day endlich bevor! Damit du so wenig Stress wie möglich hast und deinem geregelten Ablauf abspulen kannst, sollte dein erster Marathon in einer Stadt in deiner Nähe stattfinden. Langes Reisen und Wochenend-Trips sind zwar schön, aber auch immer eine Belastung für den Körper. Und das willst du vor einem Marathon natürlich vermeiden.

Achte darauf, in den letzten 48 Stunden viel zu trinken. Du solltest hydriert an den Start gehen. Zudem sollten auch deine Energiespeicher gefüllt sein. Doch Vorsicht: Sogenannte Pasta-Partys klingen zwar verlockend, sind aber oft nicht zielführend, da du in der Regel über die Stränge schlägst und dein Körper vor dem Marathon dann viel zu verdauen hat. Vor dem ersten Marathon solltest du daher so essen, wie du es am Tag vor deinen Longruns gewohnt bist. Das gilt natürlich auch für das Frühstück: Iss, was dir bekommt und womit du deine langen Läufe am besten absolvieren konntest.Ausreichend Schlaf ist während der gesamten Marathon-Vorbereitung auch ein Schlüssel zum Erfolg. Lass dich vor dem Race Day aber keinesfalls durch einen Schlafmangel aus der Ruhe bringen! Eine Nacht mit schlechtem und wenig Schlaf wird sich nicht auf deine Leistungsfähigkeit auswirken – dein Körper kann das kompensieren. Wichtig sind die letzten drei Nächte vor dem Marathon.
Lass dich auch am Wettkampf-Tag nicht aus der Fassung bringen: Die meisten Läufer starten zu schnell und brechen im späteren Verlauf ein. Zieh dein Ding in deiner angestrebten Zeit durch, halte deine Verpflegungsstrategie ein und besonders wichtig: Genieß das Spektakel. Du wirst eine Berg- und Talfahrt durchlaufen, deine Entscheidung, einen Marathon zu laufen, mehrfach hinterfragen und auf den letzten Kilometern leiden. Doch am Ende überwiegen der Stolz und die Glücksgefühle alle negativen Emotionen. (Text von Robin Siegert)