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Ohne Motiv keine Motivation

In Zeiten von Corona wichtiger denn je: Motivation. Dafür braucht es Klarheit über die Motive und unterschiedliche Ziele. Der Langsamste, der sein Ziel nicht aus den Augen verliert, geht noch immer geschwinder als jener, der ohne Ziel umherirrt.“ Gotthold Ephraim Lessing war Dichter, sein Zitat würde aber auch zu einem Motivationstrainer in der heutigen Zeit passen. Denn mit Zielen ist es coronabedingt gerade alles andere als einfach. Berliner Halbmarathon: abgesagt. Hamburg Marathon: abgesagt. Alle Großevents wurden bereits vor Monaten gecancelt, dazu kommen zig mehr oder weniger kleine Volksläufe.

Ein Renntermin nach dem anderen zerplatzte wie eine Seifenblase. Damit verbunden: Bei vielen bleibt auch die Motivation auf der Strecke. Wozu denn trainieren, wenn am Ende doch nichts stattfindet? Diese Frage haben sich in den vergangenen eineinhalb Jahren wohl so einige gestellt. Es gehe darum, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, sagte Lessing. Damit dies gelingt, muss das eigene Ziel jedoch erst mal gesetzt werden.

Wettkampflose Zeit nutzen

Läufer, die ein Rennen als Motivator brauchen, tun sich in dieser wettkampflosen Zeit besonders schwer. Hier gilt es, ein Ziel abseits von Rennergebnissen zu finden. In der Sportpsychologie werden drei Arten von Zielen unterschieden: Ergebnis-, Leistungs- und Prozessziele. Auf einen bestimmten Wettkampf hinzutrainieren, um sich am „Tag X“ mit anderen zu messen, ist ganz klar ein Ergebnisziel. Das heißt, die Leistungen der Gegner werden miteinbezogen. Ergebnisziele helfen dabei, langfristig motiviert zu bleiben. Vorausgesetzt: Es gibt Ergebnisse. Und wie wir alle wissen, fehlen diese derzeit abseits des Spitzensports. Um dauerhaft am Ball zu bleiben oder besser gesagt die Laufschuhe zu schnüren, ist es deshalb wichtig, sich andere Ziele zu setzen.

Durch virtuelle Wettkämpfe konnten viele Läufer ihre Motivation für ein Leistungsziel aufrechterhalten. Bei derartigen Zielen geht es um die eigene Leistung, unabhängig von anderen. Das kann mit virtuellen Rennen ganz gut gelingen: Man versetzt sich in die Stimmung eines normalen Wettkampftages und strebt eine persönliche Bestzeit an. Leistungsziele sind ein guter Motivator, weil sie Fortschritte zeigen und das Selbstvertrauen stärken. Ideal ist es, sich Leistungsziele als Zwischenziele zu stecken. Beispielsweise eine Formüberprüfung nach einem mehrwöchigen Trainingsblock. Abseits vom Messen mit anderen und der eigenen Leistung bleibt noch ein großes Ziel übrig: das Prozessziel. Damit sind Handlungen gemeint, die zu einer guten Leistung beitragen, oder auch das Arbeiten an Schwächen. Beispielsweise kann die wettkampflose Zeit genutzt werden, um an der Lauftechnik zu arbeiten: Arme, Hüftstreckung, Fußaufsatz – all das sind nur Beispiele.

Motive sind der Motor

Sie wollen beim Berlin Marathon am Start stehen? Aber durch die Ungewissheit, ob er tatsächlich stattfindet, erliegen Sie Ihrem inneren Schweinehund – statt sich in die Trainingsklamotten zu werfen, liegen Sie viel lieber auf dem Sofa. Dann stellen Sie sich doch einmal die Frage nach dem Warum. Warum laufen Sie? Vielleicht spielen Wettkämpfe dabei eine mehr oder weniger große Rolle, aber mit Sicherheit sind da noch ganz viele andere Aspekte, warum Laufen Ihre Leidenschaft ist. Ist es nur der Leistungsgedanke, sprich das Leistungsmotiv? Oder spielen auch das Bewegungsmotiv (Laufen macht Spaß), das Gesundheitsmotiv (Laufen ist gesund) und das Anschlussmotiv (die sozialen Kontakte) eine wichtige Rolle? Was ist Ihr Motiv?

Den Motor zum Laufen bringen

Der Begriff Motiv leitet sich aus dem lateinischen Wort „movere“ ab und bedeutet bewegen. Ein Motiv wirkt auf uns wie der Motor beim Auto. Es setzt uns in Bewegung, treibt uns an. Damit der Motor läuft, braucht es etwas, das die nötige Startenergie gibt. Hier spielen Bedürfnisse eine Rolle. Beispielsweise kann das Bedürfnis nach Zeit für sich die nötige Energie geben, um nach einem langen Arbeitstag noch die Laufschuhe zu schnüren. Das Motiv dahinter wäre die Bewegung an sich. Kommt man dann nach der Laufrunde entspannt zurück und wurde das Ziel „Entspannung“ erreicht, ist das Bedürfnis befriedigt. Das führt schließlich dazu, dass die Motivation steigt oder zumindest lange aufrechterhalten werden kann.

Motive sind stabile Persönlichkeitsmerkmale, die bestimmen, wie man in bestimmten Situationen reagiert. Jemandem, dem das Anschlussmotiv besonders wichtig ist, wird sich in Zeiten der Pandemie und der damit verbundenen Kontaktbeschränkungen wahrscheinlich schwerer tun, an seinen Zielen festzuhalten als jemand, für den das Gesundheitsmotiv im Vordergrund steht.

Aus eigenem Antrieb

Um dauerhaft motiviert zu sein, ist es also wichtig herauszufinden, was der eigene Motor ist und wie dieser gezündet werden kann. Es geht um den inneren Antrieb. In der Psychologie spricht man von intrinsischer Motivation. Das heißt, es braucht nichts und niemanden von außen, um eine Handlung gerne auszuüben. Sich etwas Gutes tun, die Bewegung in der Natur, abschalten, sich auszupowern oder einfach Zeit für sich haben – Gründe gibt es viele. Selbst ein Wettkampf kann intrinsisch motiviert sein. Innere Motivation geschieht ganz ohne Druck und ohne Belohnung. Die Handlung selbst ist das Ziel.

Dem gegenüber steht die extrinsische Motivation. Hier spielen soziale Anerkennung, Druck von außen und Belohnungen eine Rolle, und die Handlung entspricht nicht dem Ziel. Die Anstrengung, ein Ziel zu erreichen, ist demnach abhängig von Faktoren, die man selbst nicht beeinflussen kann. Fallen diese Gesichtspunkte weg, wird das Verhalten nicht mehr gezeigt. Jemand, der also Wettkämpfe braucht, um sich eine erhoffte Anerkennung im Freundes- und Familienkreis zu holen, wird vermutlich bei einer Wettkampfabsage nach der anderen nicht mehr sonderlich motiviert sein. Denn sein Ziel – die Anerkennung im persönlichen Umfeld – fällt dann ja weg. Und damit auch die Motivation.

Wenn-dann-Pläne

Extrinsische Motivation braucht Anreize für Handlungen. Was also tun, wenn der nächste Wettkampf noch viele Monate weit weg ist? Die Lösung lautet: Wenn-dann. Ambitionierte Läufer sind in der Regel wahre Meister darin, einen Plan für ein Ziel zu verfolgen. Was im Trainingsplan steht, das wird auch durchgezogen. Der innere Schweinehund ist hier längst besiegt. Diese leistungsbezogenen Eigenschaften – wie Konsequenz und Disziplin – kann man auch in der wettkampflosen Zeit für einen Motivationsschub nutzen. Nämlich mit einem Wenn-dann-Plan. Entwickelt wurde diese Strategie von Peter Gollwitzer, Motivationspsychologe an der Universität Konstanz.

Das Konzept dahinter: Um ein Ziel zu erreichen, benötigt es oftmals eine Verhaltensänderung: Um schneller zu werden, muss ich Intervalle laufen. Manchmal gelingt diese Umsetzung jedoch nicht so, wie vorgenommen. Hier setzt der Wenn-dann-Plan an. Einfach gesagt, geht es darum, dass man vor der Handlung bereits gedanklich vorwegnehmen sollte, wie man handeln möchte, um das Ziel zu erreichen. Sobald diese Situation eintritt, wird das Verhalten automatisch ausgelöst. Das Gehirn wird sozusagen programmiert: Wenn A eintritt, dann mache ich B.

Ein Beispiel: Wenn um sechs Uhr der Wecker klingelt, dann gehe ich eine Stunde laufen. In zahlreichen Studien konnte bereits nachgewiesen werden, dass Wenn-dann- Pläne einen positiven Effekt auf die Zielerreichung haben. Wichtig dabei ist jedoch, dass das Wenn und das Dann klar definiert sind. Der Auslösereiz und das Verhalten müssen präzise und in der Gegenwart formuliert sein. Und noch ein Tipp: Den Wenn-dann-Satz auf Post-its schreiben und diese dann an mehreren Plätzen in der Wohnung verteilen.

So klappt es mit der Motivation

1. Leistungs- und Prozessziele definieren. Jede Verbesserung im Training als Erfolg verbuchen sowie an der Lauftechnik arbeiten

2. Die eigenen Motive finden. Warum laufe ich? Warum habe ich mit dem Laufen begonnen? Was ist mein Ansporn?

3. Aus eigenem Antrieb. Wer sein Motiv abseits des Messens mit anderen gefunden hat, ist in der Regel von sich aus motiviert. Das heist, es braucht nichts und niemanden für die Befriedigung des Bedürfnisses, das dem Motiv zugrunde liegt.

4. Wenn-dann. Durch Wenn-dann-Pläne konnen Sie das Gehirn austricksen. So kann das gewünschte Verhalten zur Routine werden.

Text Natascha Marakovits

Alter: 39

Wohnort: Wien

Beruf: Klinische Psychologin und Sportpsychologin i.A.u.S., freie Journalistin

Info: Zertifizierte Lauftrainerin und leidenschaftliche Marathonläuferin

Laufblog: A runna.at Insta: @viennarunna

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