Marathonvorbereitung
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Sommer, Sonne, Intervalle

Sie befinden sich im Endspurt auf dem Weg zu Ihrem Frühjahrs-(Halb-)Marathon, das Tapering hat vielleicht schon begonnen, und Sie spüren bereits die Vorfreude auf den Tag X? aktivLaufen wagt schon mal den Blick voraus, auf die Wochen und Monate im Anschluss an Ihren Frühjahrsmarathon. Auch die vermeintliche „Marathon-Off-Season“ über die Sommermonate bietet Chancen und Möglichkeiten. Ihre Chance, zu Beginn der nächsten Marathonvorbereitung ein anderer Athlet zu sein.

Text: Philipp Pflieger

Nehmen wir an, Sie haben den Zwölf-Wochen-Plan in Vorbereitung auf Ihren Frühjahrshöhepunkt gut gemeistert und den (Halb-)Marathon gut überstanden. Dann empfehle ich Ihnen trotzdem: Gönnen Sie Ihrem Körper zunächst eine kurze Pause vom Lauftraining – er wird es Ihnen danken. Ich habe nach meinem ersten gefinishten Marathon 2015 in Berlin selbst den Fehler gemacht – trunken vor Euphorie – zu früh wieder ins Training einzusteigen, was eine Überlastungsreaktion zur Folge hatte.

Das heißt aber nicht, dass Sie den Sport ganz sein lassen müssen. Wenn Sie vom Kopf her eine sportliche Auszeit brauchen – o.k., überhaupt kein Thema. Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen, um wieder richtig Lust zu bekommen. Gehören Sie aber zur anderen Spezies und können schon am Tag nach dem (Halb-)Marathon kaum die Füße stillhalten, sage ich Ihnen: Das müssen Sie auch nicht.

Aktive Regeneration ist das Zauberwort und bedeutet, dass es Ihrer Regeneration sogar äußerst zuträglich ist, wenn Sie weiter Sport treiben, da sportliche Aktivität den Stoffwechsel und damit auch die Regeneration ankurbelt. Sinn der Sache ist es dabei allerdings, den durch das Rennen strapazierten Bewegungsapparat zu entlasten und für zwei bis drei Wochen auf alternative Trainingsformen wie Rennrad- oder Mountainbikefahren, Schwimmen, Aquajoggen oder auch Inlineskaten auszuweichen. Das gibt den unteren Extremitäten die Möglichkeit, sich zu erholen. Die Intensität für das Herz-Kreislauf-System darf durchaus moderat sein, zu hart pushen würde ich allerdings nicht, da Sie sich ja trotzdem in einer Regenerationsphase befinden. Die Alpenüberquerung sollte also vielleicht noch etwas warten.

Vielfalt des Laufens

Haben Sie Ihre Regenerationsphase genossen und fühlen sich gesund und frisch, steht einem Wiedereinstieg in regelmäßiges, strukturiertes Lauftraining nichts im Wege. Wichtig ist ein schrittweiser Einstieg zurück ins Lauftraining. Haben Sie wirklich drei Wochen alternativ auf dem Rad oder im Wasser trainiert, empfehle ich Ihnen, nicht sofort wieder bei 100  % Ihres sonst üblichen Laufpensums einzusteigen. Das ist zu rapide und wird mindestens zu heftigem „Muskelkater“, wenn nicht sogar zu Schlimmerem führen. Geben Sie sich stattdessen weitere ein bis zwei Wochen Zeit, um sich peu à peu wieder an regelmäßiges Lauftraining zu gewöhnen, bevor Sie Ihre sportlichen Pläne für den Sommer in Angriff nehmen.

Womit wir auch gleich beim Thema wären: Sport lebt auch sehr stark von Abwechslung, und da sind gerade wir Läufer meiner Meinung nach in einer absolut privilegierten Position. Auch wer sich als Marathonläufer sieht, tut gut daran, das Training im Verlaufe eines Jahres zu variieren und saisonal bedingt verschiedene Schwerpunkte zu setzen. Meine Empfehlung an alle Leser da draußen: Mut zur Abwechslung! Lassen Sie Marathontraining einfach Marathontraining sein – zumindest für ein paar Sommermonate, und verlassen Sie Ihre Komfortzone. Stellen Sie sich neuen Herausforderungen. Wer es noch nicht probiert hat: Versuchen Sie es mal mit einigen Wochen Intervalltraining – gerne auch wie die Profis auf einer Bahn im Stadion.

Planung ist das A und O

Wie ich schon in meinem letzten Beitrag erwähnt habe, ist Zielsetzung das A und O. Jeder Sportler kommt an den Punkt, wenn es besonders hart wird, wenn man vielleicht vor dem Sonnenaufgang aufstehen muss oder es mal wieder in Strömen regnet, sich die Frage aller Fragen zu stellen: Warum tue ich mir das eigentlich an?

Daher ist Schritt Nummer eins nach Abschluss des Regenerationsblocks und Wiedereinstieg ins Training, sich ein Ziel zu suchen und schon einmal rot im Kalender zu markieren. Im Idealfall ein messbares, vergleichbares Ziel, zum Beispiel ein möglichst flacher 10-Kilometer-Lauf.

Warum 10 Kilometer? Nun, das persönliche Leistungspotenzial bei einem 10-Kilometer-Lauf entscheidet nicht unerheblich darüber, was in einem potenziellen Halbmarathon anvisiert werden kann. Eine entsprechende Halbmarathonzeit wiederum ist entscheidend für den nächsten Marathon. Sie verstehen, worauf ich hinauswill: Warum nicht etwas um die Ecke denken und nicht bereits an den nächsten Marathonstart? Warum nicht die Abwechslung nutzen, um ein „kompletterer“ Läufer mit mehr Potenzial zu werden?

Herangehensweise

Während der Eingewöhnungsphase an regelmäßiges Lauftraining empfehle ich im Anschluss an einen Dauerlauf zunächst drei bis fünf Steigerungsläufe über ca. 80 bis 100 Meter anzuschließen. Diese beginnt man aus dem lockeren Trab heraus und steigert sukzessive das Tempo bis etwa 95  Prozent. Wichtig ist: Das sind keine All-out-Sprints, sondern sie dienen in erster Linie dazu, den Dauerlaufschritt etwas abzustreifen und die Motorik zu schulen. Wichtiger als die absolute Geschwindigkeit ist es, dabei auf einen sauberen Laufstil zu achten, also besonders auf eine aktive Armarbeit parallel zum Körper, den Kniehub und Fußaufsatz.

Gleichzeitig trainiert man damit aber auch neben dem reinen Laufeinstieg schon mal etwas die rückwärtige Oberschenkelmuskulatur, so dass diese nicht in einen kompletten Schockzustand verfällt, wenn man mit den ersten Intervallprogrammen beginnt.

Je nachdem, ob im Herbst wieder ein nächster Marathon geplant ist und wann, bleiben nach Abzug der Pause schätzungsweise acht bis zwölf Wochen, die man nutzen kann, bevor die nächste Marathonvorbereitung ansteht.

In dieser Phase würde ich den Fokus weniger auf die absolut pro Woche gelaufenen Kilometer, sondern stattdessen auf die Qualität der Tempoprogramme legen. Ganz grob gesagt würde ich den Marathontrainingsumfang auf etwa 50 bis 75  Prozent reduzieren, damit der Körper auch genügend frisch in entsprechende Intervall­programme gehen kann. Denn in ­dieser Phase gilt ganz klar der Leitsatz: Qualität vor Quantität!

Um die individuelle Ausdauer sollten Sie sich zu diesem Zeitpunkt keine Gedanken machen, denn diese sollte nach wie vor in einem ausgezeichneten Zustand sein. Die zuvor erfolgten zwölf Wochen Marathonvorbereitung sind unterm Strich nichts anderes als zwölf Wochen exzessives aerobes Grundlagentraining, und davon können Sie über die Sommermonate profitieren.

Trainingsvorschläge

Grundsätzlich sind auch bei Tempolauf- bzw. Intervalltrainingsformen der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Verstehen Sie deshalb bitte die folgenden Trainingsvorschläge nur als Anregung und nicht als in Stein gemeißeltes Gesetz. Nachfolgend möchte ich hier drei Programmvarianten vorstellen, die sich im Laufe der Wochen über drei Komponenten steuern lassen: das Tempo, die Pause und die Anzahl der Wiederholungen.

Ein äußerst effektiver Klassiker in der Trainingsmethodik sind 400-Meter-Intervallläufe. Dies entspricht genau einer Stadionrunde und ist auch mental eine vorteilhafte Strecke, weil jeder Belastungsabschnitt recht überschaubar bleibt. Zum Einstieg würde ich nach jedem 400-Meter-Abschnitt eine Minute Pause ­empfehlen und mit zehn Läufen im geplanten 10-Kilometer-Wettkampftempo beginnen. Dieses Programm eignet sich hervorragend für die Entwicklung von Geschwindigkeit und lässt sich prima über den Sommer in Richtung 5-Kilometer-Wettkampftempo ausbauen. Sollte das Tempo keine Herausforderung mehr darstellen, dann auch gerne auf fünfzehn bis zwanzig Wiederholungen erhöhen.

Ein zweites Evergreen-Programm sind 8  x  1.000  Meter. Hier würde ich zunächst zwei Minuten Pause empfehlen und als Tempoansatz – nach vielleicht ein bis zwei zuvor absolvierten 400-Meter-Programmen – ebenfalls das anvisierte 10-Kilometer-Wettkampftempo. Hier würde ich im weiteren Verlauf allerdings zunächst versuchen, die Pausen von zwei Minuten auf eineinhalb Minuten und gegen Ende des Sommers auf vielleicht sogar eine Minute zu verkürzen.

Ähnlich wie zuvor beschrieben würde ich die dritte Variante erst dann ausprobieren, wenn zuvor schon ein bis zwei der 1.000  er-Intervalle gut funktioniert haben. Dann bieten 4  x  2.000 Meter eine weitere Möglichkeit, sich auszutoben und eben auch den Körper daran zu gewöhnen, länger im geplanten Wettkampftempo zu laufen. Ziel sollte auch hier sein, bis zum Ende des Sommers vier Läufe im 10-Kilometer-Wettkampftempo laufen zu können. Beginnen würde ich mit fünf bis zehn Sekunden pro Kilometer langsamer als das eigentliche Zieltempo und vier Minuten Pause. Was diese Variante anbelangt, empfehle ich, die Pause durchaus konstant beizubehalten und sich stattdessen darauf zu konzentrieren, nach acht bis zwölf Wochen die 2000  er im geplanten Wettkampftempo laufen zu können.

Wie eingangs erwähnt, sind in der Gestaltung des Trainingsplans keinerlei Grenzen gesetzt. Ein- bis zwei Mal die Woche kann ein solches Programm guten Gewissens in den Trainingsplan integriert werden. Bei drei wöchentlichen Laufeinheiten reicht eine Tempoeinheit völlig aus bei dann zwei zusätzlichen normalen Dauerläufen. Bei vier oder sogar mehr Laufeinheiten pro Woche darf auch gerne zwei Mal Gas gegeben werden.

Und noch etwas: Abwechslung ist das Salz in der Suppe und der Schlüssel zu Spaß! Sie können und sollen wie oben beschrieben die Programme variieren und kombinieren und, wenn Sie mögen, eigene Kreationen entwickeln. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Spaß, schnelle Beine und einen schönen Start in den Sommer!

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