Bild: privat

Spartathlon: Alter Grieche

In einer unserer aktuellen Leserstory hat sich Dirk Karl nach Griechenland aufgemacht, um nach dem Scheitern vor vier Jahren nun endlich den „Spartathlon“ zu finishen. Ein Bericht über eine erfolgreiche Odyssee.

Text: Dirk Karl

Vor vier Jahren war ich kläglich gescheitert. Nun wollte ich einen neuen Versuch wagen. Durch die Teilnahme am letztjährigen 12-Stunden-Lauf in Barcelona, bei dem ich etwas mehr als 125 Kilometer geschafft hatte, war klar, dass ich die Qualifikation geschafft hatte und es für mich hieß: Spartathlon, ich komme wieder! 246,8 Kilometer von Athen nach Sparta in höchstens 36 Stunden. 3.250 Höhenmeter. Dieses Mal wollte ich im Vorfeld mehr Trainingskilometer und kilometerreiche Wettkämpfe absolvieren. In den letzten vier Monaten vor dem Spartathlon lief ich sechs Marathons und sieben Ultras, dazu auch kurze Strecken, um die Grundschnelligkeit nicht zu verlieren. Mein letzter­ Härtetest: der Pfalz-Trail über 85,6 km, den ich ohne große Mühe laufen konnte.

Ich kam nachts um 3 Uhr in Athen an und hatte Glück, noch einen Bus nach Glyfada zu erwischen, wo die Athleten untergebracht waren und wo sich die Startnummernausgabe befand. Gegen 4:30 kam ich im Hotel an und legte mich in voller Montur auf das Bett, um meinen Zimmergenossen nicht zu wecken. Nach ein paar Stunden spärlichen Schlafes ging ich zum Frühstücksraum, wo es dann ein erstes Kennenlernen und Fachsimpeln gab. Nach dem Mittagessen waren die Dropbags abzugeben. Ich feilte daran bis zum allerletzten Moment und gab zehn Dropbags ab, die ich konsequent in einem Streckenabstand von 20 Kilometern, beginnend mit der Marathondistanz, verteilte. Am nächsten Morgen rollte der Bus um Viertel vor sechs los zum Startpunkt am Fuß der Akropolis. Während der Fahrt wiederholte ich das Mantra, das ich mir im Vorfeld der Veranstaltung mittels autogenem Training ins Unterbewusstsein gehämmert hatte: „Ich werde nicht aufgeben und das Ziel sicher erreichen.“

Ich werde nicht aufgeben“

Um Punkt sieben im Morgengrauen ertönte der Startschuss, und ein riesiger Läuferpulk machte sich auf den langen Weg nach Sparta. Ich kam gut ins Rennen, lief ca. 6 Minuten pro Kilometer, passierte die Marathonmarke nach 3:44 Stunden und nahm dort meinen ersten Dropbag entgegen. Nach circa 70 km begann meine linke Wade empfindlich zu schmerzen und zu verhärten, was mir doch einige Sorgen bereitete. Nach 7:50 Stunden und 81 Kilometern erreichte ich Korinth. Bis hierhin waren neun Kilometer in der Stunde zurückzulegen – wer langsamer war, wurde aus dem Rennen genommen. Aufgrund meiner Wadenprobleme wurde eine kurze Massage notwendig, dann trat ich den Weg in Richtung Nemea, dem nächsten größeren Verpflegungspunkt an. Ich erreichte Nemea bei Kilometer 124 nach 13:07 Stunden. Ich wusste, dass es nach Kilometer 159 hoch zum Sangas-Pass gehen würde, was einen Löwenanteil der Höhenmeter ausmachen würde. Dennoch schien eine Zeit unter 30 Stunden jetzt im Bereich des Möglichen zu liegen. Wie schon vorher versäumte ich es aber, meine flüssigen Energiereserven aufzufüllen, verließ den Checkpoint und stellte bei der nächsten turnusmäßig geplanten Salzzufuhr erschrocken fest, dass ich wohl unterwegs meine Salztabletten verloren hatte.

Erst allmählich und dann in merklich steigendem Maß machte sich das Energiedefizit bemerkbar. Die zunehmend schwierigere und ansteigende Strecke ließ mich in ein Schneckentempo fallen. Ich erreichte den Sangas-Pass nach 18:52 Stunden. Es gab einen Wettereinbruch, aber die Regenjacke hielt, was sie beim Einkauf versprochen hatte, und ich blieb vollkommen trocken. Die Beleuchtung der Wegführung war hervorragend, unterwegs waren immer wieder Streckenposten, die kontrollierten und aufmunternden. Die Bergabpassage gestaltete sich ungleich schwieriger, da durch den Dauerregen alles nur noch wie durch einen milchigen Schleier wahrnehmbar war. Weiter ging es durch die Nacht Richtung Nestani. Den bei Kilometer 195 gelegenen Checkpoint Tegea erreichte ich nach Morgengrauen.

Harte Schlussphase

So sehr ich auch wollte, gegen Ende konnte ich leider nicht mehr beschleunigen und musste schon die kleinsten Aufstiege gehen. Kilometer für Kilometer musste ich meine zeitlichen Ziele nach unten korrigieren. Dennoch stellte sich ca. 20 Kilometer vor dem Ziel eine gewisse innere Zufriedenheit ein. Jetzt galt es nur noch, die Konzentration aufrechtzuerhalten, um nicht kurz vor Schluss noch ins Stolpern zu kommen. Dann war es so weit: Zahlreiche Kinder jubelten einem beim ergreifenden Zieleinlauf zu. Leider nutzte der vor mir befindliche Läufer den Zieleinlauf zu einer frenetischen und schreiwütigen One-Man-Show. Während er auf die Leonidas-Statue kletterte, mussten ich und ein japanischer Läufer wie an der Supermarktkasse stehend auf den Zieleinlauf warten. Im Ultralauf gibt es halt Ultra-Nette und Ultra-…

Dennoch: Erleichterung pur, es geschafft zu haben. Ich bekam Wasser aus der Schale gereicht und einen Lorbeerkranz auf das ungesalbte Haupt. Ich wurde in einen Stuhl gesetzt, drei junge Mädchen wuschen meine Füße. Als ich gehen wollte, versagte beim Aufstehen meine Muskulatur völlig – ich kippte nach vorne und wurde glücklicherweise aufgefangen. Man legte mich erst mal auf eine Pritsche und verpasste mir zwei Infusio­nen. Dann fuhr man mich zum Hotel, wo ich mich aufs Zimmer schleppte.

Als Fazit bleibt, dass es sicher mein längster, stimmungsvollster und intensivster Lauf war, bei dem sich alle Helfer in hinreißender Weise um die Läufer kümmerten. Schön war die Abschlusszeremonie, bei der jeder persönlich nach vorne gerufen wurde und seine Urkunde erhielt. Das internationale Flair mit Menschen aus aller Herren Länder, teilweise in Landestracht, war unvergleichlich. Da ich mit meiner Zeit aber nicht ganz zufrieden bin und auch einige Menschen gerne wiedersehen würde, habe ich noch bis Januar Zeit, mich für nächstes Jahr zu bewerben. Und das Schönste daran: Als Finisher brauche ich diesmal gar keine Qualifikationsleistungen zu erbringen. Schauen wir mal …

 

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