Watt beim Laufen – macht das Sinn?
Im Radsport ist Watt schon lange eine wichtige Maßeinheit. Beim Laufen soll das gleiche Prinzip seine Siegesserie fortsetzen. Reines Marketing oder eine Technologie mit großem Potenzial? Wir klären auf.
Ein Watt entspricht der Leistung, um eine mechanische Arbeit von einem Kilogramm pro Sekunde zu verrichten. Im Grunde sagt die Maßeinheit also aus, wie oft und mit welcher Kraft man seinen Körper beim Laufen bewegt. Stößt man sich also stärker ab und wendet so mehr Kraft auf oder erhöht man seine Schrittfrequenz pro Minute, steigt gleichzeitig die Wattleistung.
Darum ist Watt als Maßeinheit beim Laufen geeignet
Nur im windstillen, flachen Gelände mit gutem Straßenbelag und ohne Windschatten ist auch das Tempo eine zuverlässige Größe. Sobald jedoch Faktoren wie Wind – respektive Windschatten – und Steigung hinzukommen, gibt die Geschwindigkeit die reine Leistung nicht mehr wieder. Pace (bzw. Geschwindigkeit oder Tempo) und Watt verlaufen also parallel, solange die Bedingungen eben Laborbedingungen entsprechen. Wie viel Watt aufgebracht werden muss, um eine bestimmte Geschwindigkeit zu laufen, hängt dabei aber noch zusätzlich von der Laufeffizienz ab. Wenn du beim Laufen hoch springst, generiert dein Körper zwar hohe Wattwerte, du wirst jedoch mit deinem Laufstil nicht wirklich vorankommen.
Auf einer flachen Ebene kann Watt nicht nur als Ersatz für die Pace herangezogen werden, sondern auch in Beziehung zum Tempo, um die eigene Laufeffizienz zu bestimmen. Der eigentliche Vorteil gegenüber dem Laufen nach Geschwindigkeit zeigt sich allerdings im hügeligen Gelände, erst recht beim Trailrunning oder bei windigen Verhältnissen. Genau in diesen Szenarien ist die Laufgeschwindigkeit keine zuverlässige Größe mehr.
Watt als ergänzende Messung
Watt ersetzt jedoch trotz der aussagekräftigen Werte nicht die Maßeinheit Puls. Das liegt schlichtweg daran, dass Watt eine externe Variable ist. Zwar sagt der Wattwert aus, was der Körper leistet, jedoch nicht, was im Körper passiert. Die Herzfrequenz (Puls) wiederum kann dir nicht sagen, wie leistungsfähig du bist. Dafür gibt dir der Puls die Information, wie intensiv die Belastung für deinen Körper ist.
Watt soll also weder die Steuerung nach Pace noch nach Herzfrequenz ersetzen. Vielmehr sind Wattmesser als logische Ergänzung zu verstehen, da sie die Schwäche der beiden anderen Variablen (Pace und Puls) ausbessern.
Der Vorteil gegenüber dem Pulswert
Intervalle oder ein Rennen nach Herzfrequenz zu steuern ist fast unmöglich, denn der Puls braucht lange, um zu reagieren. Da Watt als Messgröße beinahe in Echtzeit angezeigt wird, kann das richtige Tempo selbst bei Bergintervallen direkt gefunden werden. Auch im Wettkampf und auf hügligen Strecken gibt der Puls nur sehr verzögert die Anstrengung wieder, und auch das Gefühl mag auf den ersten Schritten der Steigung täuschen. Hier können Wattmesser helfen.
Steuerung nach Watt – so geht es
Wie auch bei der Herzfrequenz und der Pace lassen sich Trainingszonen auch nach Watt bestimmen. Diese verlaufen nicht ganz linear zur Pace, sind aber zur prozentualen Schwellenleistung sehr ähnlich.
In der Praxis ist Watt deutlich volatiler als die Pace und der Puls. Ein kräftiger Abdruck und schon schnellt die Wattzahl nach oben. Die meisten Powermeter – die du dir in Form eines kleinen Pods an deinen Laufschuh klippen kannst – bieten allerdings gleitende Durchschnitte an, um die Temposteuerung zu erleichtern. Denn auch beim Puls wird schließlich nicht der sekundengenaue Wert genommen. Aus diesem Grund kann man die Frage, ob Pacing nach Watt sinnvoll beim Laufen ist, klar mit einem JA beantworten. Hierzu ein kleines Beispiel:
Du weißt, dass du bei dreiminütigen Intervallen eine Leistung von etwa 410 W halten musst, weshalb du deine Intervalle in jedem erdenklichen Terrain laufen kannst. Es ist demnach egal, ob du am Berg, auf der Bahn, bei Gegenwind oder auf dem Laufband trainierst. Solange du die 410 W hältst, weißt du, dass du nach sechs Wiederholungen an deiner Leistungsgrenze bist. Das Pacing mit Watt hat also viele Vorteile.
Viele Benefits – das große ABER bleibt (noch)
Bis hier hin magst du denken, dass Laufen nach Watt der letzte Schrei ist. Dem ist jedoch nicht unbedingt so. Die Hersteller von Powermetern versuchen mittlerweile, die rohen Wattangaben in Trainingsempfehlungen zu übersetzen. So soll dann automatisch vorgeschlagen werden, an der Grundlagenausdauer zu arbeiten. Der Erfolg ist aber noch größtenteils überschaubar und hängt im Wesentlichen von der Qualität der Daten ab. Je einfacher die Analyse werden soll, desto ungenauer und pauschaler wird sie. Daher mangelt es noch an der Genauigkeit der meisten Powermeter.
Wattmesser sind also weder der neue Allheilsbringer noch reine Marketing-Gags. Sie sind mittlerweile sehr einfach und komfortabel zu nutzen und bieten den Personen exklusive Vorteile, die wissen, wofür sie Powermeter benutzen möchten. Umgekehrt bieten sie aber all denen keinen Nutzen, die zwar Technik mit sich herumtragen, aber weder persönlich noch trainingstechnisch eigene Vorteile aus den Daten ableiten können. Powermeter werden sich daher nur in der breiten Läufer-Masse durchsetzen können, wenn es den Herstellern gelingt, die Daten auch für HobbyläuferInnen nutzbar zu machen.
Kleiner Tipp: Weitere Texte zum Thema findest du in unserer Rubrik Training.