Kraft- und Stabi-Workouts
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Erkennen, entwickeln, etablieren

Kraft- und Stabi-Workouts sind für dich die reine Tortour? Dann bist du in bester Gesellschaft! Doch Athletik-Training gehört leider zum Laufen dazu. Wir zeigen dir, wie du Planks, Squats und Co. zur Routine machst.

Es ist die ewige Leier: Ergänzende Workouts zum regelmäßigen Lauftraining. Dem einen oder anderen Leser quillt das Thema sicherlich schon aus den Ohren, allerdings ist dieser verhasste Bereich vom Ausdauersport von so enormer Bedeutung, dass die Relevanz von Kraft- und Stabi-Training sowie vom Stretching regelmäßig gepredigt werden muss. Zumindest solange bis auch der letzte Kritiker verstummt ist.

Wieso fällt es den meisten Läufern so schwer, sich gewohnheitsmäßig zu kräftigen, zu mobilisieren oder zu dehnen? Geht es dir wie mir, dann ist die Antwort ziemlich eindeutig. Denn während Lauftraining bereits nach wenigen Einheiten von Erfolg gekrönt ist, macht sich selbst nach wochenlangem Stretching keinerlei Fortschritt in Flexibilität bemerkbar. Von den stundenlangen Sessions im Fitnessstudio mal ganz abgesehen: Sichtbare Muskeln? Fehlanzeige! Wieso sollte ich also für Dinge, die mir keinen ersichtlichen oder spürbaren Nutzen bringen zusätzliche Zeit investieren? Ganz einfach: Um das zu tun, was du so liebst – laufen. Und zwar schmerzfrei und regelmäßig!

Vorstellungskraft als Erfolgsrezept

Wer das Kraft- und Stabi-Training dauerhaft vernachlässigt, wird sich zwangsweise in einem endlosen Teufelskreis wiederfinden. Frag doch mal in deiner Lauf-Community nach: Ich kenne selber viele Läufer, die Fuß-, Achilles- oder Kniebeschwerden hatten. Mit den richtigen Übungen sind die Wehwehchen relativ schnell in den Griff zu kriegen. Das Problem? Sobald man wieder schmerzfrei laufen kann, wird die konsequente Durchführung der verletzungspräventiven Übungen über Bord geworfen. Dieses Negativ-Verhalten kannst du dir aber wunderbar zu Nutzen machen.

Eine beliebte Technik in der Meditation ist die sogenannte „Visualisierung“. Das Prinzip wird von Sportlern auch zur Stärkung der Motivation und des Mindsets genutzt. So führen sich Top-Athleten vor Augen, wie sie nach einem Ultra-Marathon als Sieger über die Ziellinie schreiten. Das hat zum einen den Vorteil, dass man auch in schweren Phasen des Wettkampfs ungeahnte Kräfte mobilisieren kann. Zum anderen ist man dann aber auch mit der Situation vertraut, sollte man unerwartet die Führungsposition in einem Rennen belegen. Kraft- und Stabi-Muffel sollten sich hingegen vor Augen führen, wie es ist, nicht mehr Laufen zu können, weil mal wieder die altbekannte Verletzung zurückgekehrt ist. Das nervige „Wadenheben“ auf der Treppenstufe, um die Achillessehne zu kräftigen, die müßigen Fuß-Übungen zur Behandlung einer hartnäckigen „Plantarfasziitis“ oder das ewige „Rollen“ des IT-Bands zur Linderung von Knieschmerzen – all das ließe sich verhindern, wenn man sich doch nur regelmäßig auf der Fitnessmatte gequält hätte.

Zu Beginn meiner Laufkarriere habe ich nichts von Belastungssteuerung gewusst. Ich habe nach einem Trainingsplan trainiert, der meinem aktuellen Fitness-Level nicht entsprach. Wochenlang bin ich einer Wunsch-Zielzeit hinterher gehastet, nur um auf dem Weg mit diversen Überlastungsschäden Bekanntschaft zu machen. Es gibt fast keine Laufverletzung, die ich nicht selber schonmal hatte.

In den Zwangspausen habe ich die entsprechenden Übungen religiös durchgeführt. Nach dem beschwerdefreien Wiedereinstieg schmerzte dann aber plötzlich eine andere Muskelpartie, die natürlich behandelt werden musste. So ging es dann weiter, bis das Pensum meiner Kraft- und Stabi-Workouts umfangreicher als mein eigentliches Lauf-Training war. Kein Wunder, dass man das Kraft-Training dann wieder schnell aus dem Programm streicht – es ist zwar effizient, dafür aber auch ein echter Zeitfresser.

Doch hier liegt der Hase im Pfeffer begraben: Die meisten Läufer führen entweder ursachenbekämpfende Übungen oder allgemeingültige Kraft-Workouts durch. Das Kraft- und Stabi-Training sollte jedoch – so wie auch die Trainingsplanung – individuell auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten sein. Die Konzeption eines Athletik-Programms startet also mit dem „Erkennen“.

Schwächen identifizieren

Dir schmerzt nach jedem Lauf die Hüfte? Dir zwickt nach jedem Run das Knie? Als Sofortmaßnahme solltest du selbstverständlich Kräftigungs- oder Stretching-Übungen für die Beschwerden durchführen – so lange du diese schmerzfrei ausführen kannst. Es ist jedoch ratsam, der Wurzel allen Übels auf den Grund zu gehen. Statt also die Ursachen zu bekämpfen, gehe lieber auf die Symptomsuche. Die traurige Wahrheit: Einen verständnisvollen Arzt zu finden, ist eine echte Herausforderung. Und wenn man dann mal einen laufenden Doc an der Angel hat, erkennt dieser zwar das Problem, geht aber nicht tiefer ins Detail. Deine Knieschmerzen werden dann zwar behandelt, ploppen aber nach einiger Zeit wieder auf, weil eben der Oberschenkel zu schwach ist und nicht das Knie die Beschwerden verursacht.

Kraft- und Stabi-Workouts

Deshalb sind gute Physiotherapeuten auch die wahren Freunde von Läufern – zumindest die, die auch Verständnis dafür haben, wenn du jenseits von 80 Kilometer pro Woche läufst und regelmäßig Ultras absolvierst. Denn Physios fühlen dir richtig auf den Zahn. Sie erkennen Fehlstellungen, können muskuläre Dysbalancen identifizieren und darauf basierend auch Übungen für deine Schwachstellen empfehlen. Für die perfekte Workout-Routine ist das Erkennen der eigenen Defizite also unumgänglich.

Ein bisschen Spaß muss sein

Mit einer Handvoll individuellen Übungen im Gepäck kannst du also deine eigenen Workout-Routine entwickeln. Der Haken an der Sache? Ganz so einfach ist es nicht. Denn individuelle Übungen garantieren noch lange nicht, dass du dich fortan auch regelmäßig auf der eigenen Matte quälst.

Ohne Motivation geht hier leider gar nichts. Fleiß, Disziplin, Pflichtgefühl helfen auf Dauer wenig, wenn du schlichtweg nicht mehr motiviert bist, das Krafttraining durchzuziehen. Denn erst durch die Motivation entwickeln wir die Bereitschaft uns zu verbessern. Dabei gibt es die unterschiedlichsten Beweggründe, die uns antreiben: Schmerzfreiheit, Leistungssteigerung, ja selbst Spaß gehört dazu! Und der sollte beim Ergänzungstraining niemals zu kurz kommen. Kniebeugen, Ausfallschritte und Planks – alles schön und gut. Aber sind wir mal ehrlich: Hängen dir die Standard-Übungen nicht auch zum Hals raus?

Kraft- und Stabi-Workouts

Solltest du jetzt zustimmend mit dem Kopf nicken, hast du schonmal einen Ansatz für die Entwicklung deiner eigenen Workout-Routine: Du brauchst Übungen, die nicht nur deine Schwachstellen ausmerzen, sondern hauptsächlich Spaß machen. Es gibt unzählige Alternativen für sämtliche Kraft- und Stabi-Übungen. Als aktivLaufen-Leser wirst du in der Regel mit unkonventionellen und anspruchsvollen Übungen gefüttert. Es lohnt sich aber auch, etwas Zeit im Netz für die Recherche zu investieren. Und na klar, selbst die Anmeldung im Fitnessstudio kann motivierend wirken: Stichwort „extrinsische“ Motivation – das ist der Antrieb, der aus äußeren Reizen oder Einflüssen entsteht. Eine Verabredung mit einem Gym-Buddy ist also ebenso ein extrinsischer Faktor wie die Tatsache, dass du monatlich Geld für eine Mitgliedschaft ausgibst.

Zusätzlich dazu solltest du immer das Prinzip der Visualisierung anwenden. Stell dir an Tagen, an denen dein Workout geplant ist, vor, wie blöd es ist, nicht laufen zu können, weil du mal wieder Schmerzen hast. Ich verspreche dir, dein Schweinehund wird keinen Mucks von sich geben!

Routinen zum Dranbleiben

Menschen sind Gewohnheitstieren – schließlich erleichtern dir Routinen das Leben. Egal, ob morgens oder abends: Über die Körper-Hygiene, den Gang zur Arbeit oder das regelmäßige Laufen denkst du nicht großartig nach. Diese Abläufe sind dir bereits in Fleisch und Blut übergegangen.

Im Durchschnitt dauert es knapp 60 Tage bis eine Verhaltensweise zur Routine wird. Der Prozess beginnt dabei jedoch immer mit dem gleichen Schritt: der Planung. Denn sobald etwas fest eingeplant ist, führst du es in der Regel auch durch. Wo kämen wir in der Arbeitswelt hin, wenn ein Termin im Kalender einfach nicht wahrgenommen würde? Gleiches gilt natürlich für den eigenen Trainingsplan: Wer die Longruns in der Marathon-Vorbereitung ständig ausfallen lässt, darf sich am Wettkampf-Tag auch nicht über mangelnde Fitness beschweren. Geplante Dinge sind in der Regel Aufgaben oder Verpflichtungen, die man übernehmen oder erfüllen muss. Unabhängig von der Tatsache, ob sie schwierig, unangenehm, unerwünscht oder lästig sind – „you gotta do, what you gotta do“!

Aus diesem Grund sollten all deine ergänzenden Einheiten auch fest in deinem Trainingsplan verankert sein: Laufen, Kräftigen, Mobilisieren, Dehnen – alles unter einem Dach. Der Trainingsplan wird somit zu einer Art „To-Do“-Liste, deren Aktivitäten du nach getaner Arbeit als erledigt markieren kannst. Achte dabei jedoch unbedingt darauf, dass du deinen Plan nicht zu voll packst. Wer regelmäßig die Muskeln brennen lässt, muss maximal zwei bis drei Einheiten zu je 30-60 Minuten dafür veranschlagen. Das regelmäßige Stretching absolvierst du am besten direkt im Anschluss an deinen Lauf oder vor dem Schlafengehen. Das reduziert nicht nur deine „Screentime“ am Handy oder am TV, sondern bereitet den Körper auch perfekt für die Nacht vor. Die Systeme können beim Dehnen ganz entspannt herunterfahren.

Für das Krafttraining gibt es natürlich auch einen richtigen Zeitpunkt: Wer mehr als fünfmal pro Woche läuft, sollte die Muskeln am Morgen vor einem lockeren Dauerlauf trainieren. Das gilt insbesondere für diejenigen, die schwere Gewichte im Gym heben. Aufgrund der höheren Last bedarf es hierbei einer sauberen Technik, um keine Verletzungen zu provozieren. Im Anschluss kannst du direkt die Laufschuhe schnüren – die Beine sind dann zwar schwer, dafür hast du den Rest des Tages „sportfrei“. Wer die Zeit und die Lust dazu hat, kann natürlich auch morgens und abends trainieren. Die Reihenfolge von Kraft- und Lauftraining spielt dabei dann keine Rolle, weil sicherlich mehr als sechs Stunden zwischen den Aktivitäten liegen.

Wer hingegen dreimal pro Woche läuft, kann die „Zwischentage“ als Workout-Days definieren. Mich persönlich plagt nach den Einheiten im Gym grundsätzlich ein fieser Muskelkater. Daher reduziere ich vor Schlüsseleinheiten wie Intervalle oder Longruns mein Trainingsgewicht. So beeinträchtige ich meine Laufperformance nicht. Wie und wann du dein Kraft-Training gestaltest, hängt natürlich von deiner individuellen Zielsetzung ab.

Step by Step

Bei all diesen Tipps möchte ich dir zum Abschluss noch etwas ans Herz legen: Werde nicht zu übereifrig! Denn auch falscher Ehrgeiz kann im Gegenteil von dem enden, was du eigentlich erreichen möchtest. Baust du alles sofort auf einmal in den eigenen Trainingsplan, überforderst du dich schnell mit der Masse an „To-Dos“. Drehe deshalb zunächst nur an einer Stellschraube und setze dir gezielt Prioritäten. Jeden zweiten Morgen ein Core-Workout zu absolvieren oder sich nach dem Laufen fünf Minuten zu dehnen, ist anfangs deutlich einfacher, als direkt dreimal pro Woche 60 Minuten Kraft-Übungen durchzuführen und sich nach jedem Run ausgiebig zu dehnen. Es gilt: Lieber kleine Schritte, als keine Schritte.

Und lass dich auf dem Weg zur eigenen Workout-Routine nicht entmutigen: Ich habe Jahre an meinen Kraft- und Stretching-Abläufen gefeilt und bin erst vor kurzem wirklich zufrieden mit beiden Routinen. Aktuell macht mir das Training im Gym mehr Spaß als zu Hause auf der eigenen Matte. Ich habe im Fitnessstudio mehr Optionen, das Workout zu gestalten, zudem verbinde ich mit dem Gang ins „Fitti“ eine gewisse Verpflichtung.

Und vom Stretching will ich gar nicht erst sprechen. Meine anfängliche Routine war knapp 30 Minuten lang – klar, dass ich die nicht regelmäßig durchgezogen habe. Wer will nach dem Laufen tatenlos rumstehen, um jede beanspruchte Muskelpartie für 90 Sekunden dehnen? Mittlerweile reichen 15 Minuten – an meinem Rest Day ziehe ich tatsächlich das 30-Minuten-Programm durch. Aber auch nur, weil ich an dem Tag nichts anderes an Sport treibe. Wie sagte Michael Jordan so schön? „I’ve missed more than 9,000 shots in my career. I’ve lost almost 300 games. Twenty-six times I’ve been trusted to take the game-winning shot and missed. I’ve failed over and over and over again in my life. And that is why I succeed“ – der legendäre Basketballspieler wurde so erfolgreich, weil er von seinen Rückschlägen gelernt hat. Wir lernen eben nie aus – auch bei der Gestaltung der eigenen Workout-Routine nicht. (Text von Robin Siegert)

Kleiner Tipp: Weitere Texte zum Thema findest du in unserer Rubrik Training.

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