Liebe (zum Sport)
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Vom Laufen und der Leidenschaft

In diesem Artikel geht es nicht um Bestzeiten, kurzen Bodenkontakt oder gar eine noch längere Langdistanz. Nein, es geht um die Liebe (zum Sport) und die Leidenschaft für eine Sache. Denn beides droht im Ehrgeiz und der Hektik des Alltags in Vergessenheit zu geraten.

Text: Sandra Mastropietro

Die Tagesplanung im 21. Jahrhundert stellt sich als durchaus komplexe Sache dar. Zwischen Arbeit, Selbstverwirklichung, Social Media und „Allein-Zeit“ wollen auch noch Freundschaften gepflegt und die Verwandtschaft bedient werden. Wo und wie bringe ich also das Hobby und den Partner unter? Eine Frage, die sich die „Generation Beziehungsunfähig“ immer häufiger stellt – und bei der das Zwischenmenschliche tatsächlich meist hintangestellt wird. Die Folge: Großstädte werden zu Single-Hochburgen, das austauschbare Lob des Chefs das Highlight des Tages und sämtliche Online-Dating-Plattformen liefern die scheinbar perfekte Mischung aus „Me-Time“ und „Social-Media Ego-Boost“. Was beziehungsweise wen suchen wir eigentlich? Welche Beziehungsmodelle haben Erfolg und gar Zukunft?

Repräsentativen Umfragen zufolge setzen wir bei der Partnerwahl inzwischen verstärkt auf gemeinsame Hobbys und das Teilen von Leidenschaft. Demnach haben zwei Menschen, die sich sympathisch sind und gemeinsam ihre Leidenschaft leben, also gute Chancen auf eine gemeinsame Zukunft – welcher Art auch immer.

Für alle laufbegeisterten Singles heißt dies: No Excuses! Raus an die frische Luft, auf zum nächsten Lauftreff. Diese gibt es inzwischen fast überall – und sind im Gegensatz zum Online-Dating zu Hause vor dem PC auch noch gesund, gesellig und eine wunderbare Plattform, um sich auf neutralem Terrain kennenzulernen.

GLEICH UND GLEICH GESELLT SICH GERNE

Auch mir ist mein Partner Sebastian buchstäblich über den Weg gelaufen. Damals, bei einer kleinen Laufveranstaltung im Münchner Umland, als wir beide die Zeit zur Siegerehrung überbrücken mussten. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich eine schlabbernde Jogginghose und einen weiten Pulli über meiner verschwitzten Laufkleidung trug, der Kopf war hochrot von der vorangegangenen Anstrengung, und eine feine Salzkruste zierte mein Gesicht. Make-up trug ich natürlich keines. „Lust auf ein alkoholfreies Bier?“ fragte er unvermittelt. Zwei Stunden redeten wir dann ununterbrochen über das Laufen, Erlebtes und Pläne. Schnell wurde der eigentliche Grund, aus dem wir dort auf der schmalen Bierbank saßen, nichtig, und „langweilige Wartezeit“ wandelte sich in pures Entzücken. Entzücken darüber, dass bei jeweils dem andern das Feuer der (Lauf-)Leidenschaft in den Augen brannte, dass blaue Zehennägel kein Tabuthema waren und dass „eine große Portion Pommes“ nur als salzreiche Vorspeise diente. Inzwischen teilen wir nicht mehr nur die Vorliebe für alkoholfreies Bier, sondern auch den Alltag, viel kohlenhydratreiches Essen und einen ganz großen Schrank, randvoll mit unwohlriechenden Laufschuhen. Sebastian und ich sind kein Einzelfall. Das bestätigt auch LoveScout24-Expertin Dr. Ohana: „Warum nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden und sich bei einem gemeinsamen Hobby kennenlernen? Im Gegensatz zu klassischen Date-Situationen, bei denen man sich frontal gegenübersitzt und darauf konzentriert ist, sich möglichst von seiner Schokoladenseite zu präsentieren, kann eine gemeinsame Unternehmung entkrampfend wirken.“

Einer vorangegangenen Umfrage zufolge befindet sich „Joggen“ auf Platz 5 jener Aktivitäten, bei denen es sich am besten flirten lässt, „Fitness“ sogar auf Platz 3. Gemeinsames Schwitzen scheint also tatsächlich eine durchaus anziehende Wirkung zu haben. So anziehend, dass es neben den stark frequentierten Laufgruppen inzwischen auch Single-Lauftreffs gibt. So startete LoveScout24, Deutschlands Dating-portal Nr. 1, im Sommer 2016 den ersten Versuch eines sportlichen Single-Events. Mit Erfolg: 2017 soll das Konzept in erweiterter Form fortgeführt werden. Aber an dieser Stelle erst einmal wieder genug von Zahlen und Statistiken, weg von der Theorie und rein in die „Praxis“. Zu Kerstin und Simon. Einer schlichtweg berührenden Geschichte, die zeigt, dass es sie doch gibt: die wahre Liebe.

DRUM PRÜFE, WER SICH EWIG …

Kerstin: „Simon und ich haben uns auf einer Laufveranstaltung kennengelernt. Damals war ich zwölf Jahre alt und fand Jungs noch doof. Gleichwohl gab es eine Verbindung zwischen uns beiden. Und so redete ich im jugendlichen Leichtsinn von 13 Jahren auch tatsächlich zum ersten Mal davon, dass Simon der Mann sei, den ich einmal heiraten möchte. Zu Beginn unserer ,Beziehung‘ sahen wir uns nur sehr selten, bei diversen Sportevents eben. Per SMS informierte ich ihn, bei welchen Laufveranstaltungen ich als Nächstes starten wollte und wann ich dort mit meiner achtköpfigen Familie aufkreuzen würde. So kam es, dass sich Simon auf sein Rennrad schwang und bis zu 120 Kilometer fuhr, nur um mit mir gemeinsam an der Startlinie zu stehen und mir dann während des Rennens nicht von der Seite zu weichen. So nahm auch die Zeit ihren Lauf, und schließlich zog Simon mit 18 Jahren für sein Studium ganz in meine Nähe. Endlich konnten uns häufiger sehen, sogar gemeinsam trainieren. Unsere Leidenschaft für das Laufen verband uns vom ersten Moment an. Ich erinnere mich noch gut: In der ersten gemeinsamen Wohnung standen überall Laufschuhe im Flur.

Auch der Heiratsantrag erfolgte – wie sollte es anders sein – während eines gemeinsamen Laufes. Ein Jahr später wurde unser Glück durch die Geburt von Tochter Johanna gekrönt. Wenig später folgte bereits unser nächster Familienzuwachs: Emil. Durch die Anschaffung eines Doppelbabyjoggers, was ich Läufern nur empfehlen kann, war es uns möglich, zu viert unterwegs zu sein und zu laufen. Im Dezember vergangenen Jahres wurde unsere Familie dann durch Anton komplettiert. Entsprechend beschränken sich unsere Laufkilometer gerade auf nächtliche Tragetouren und Kinderwagenausflüge, aber ich bin mir sicher, dass dies schon bald wieder anders aussehen wird. Dann möchte ich wieder an der Startlinie stehen, und Simon und ich werden uns mit dem Aufpassen der Kinder abwechseln. Auch auf unsere gemeinsamen Trainingsstunden zu fünft freue ich mich schon jetzt. Da wir uns keinen Drillingsjogger anschaffen werden, wird Johanna uns auf dem Fahrrad begleiten.“

LAUFEN VERBINDET

Wir alle laufen aus verschiedenen Gründen, mit unterschiedlichen Zielen und Ambitionen. Aber wir laufen, sind Läufer. Und das prägt unseren Alltag. Wir ernähren uns anders, kleiden uns anders und gehen wahrscheinlich häufiger duschen. Ist es dann nicht praktisch, wenn zwei, die sich lieben, das Gleiche lieben? Gemeinsam, das ist unbestritten, machen die meisten Dinge einfach mehr Spaß. Und das Verständnis für so manches, das Nicht-Läufer niemals in den Sinn kommen würde, ist auch gegeben. So auch bei Matthias und Christiane, die 2016 gemeinsam den Transalpine-Run finishten:

„Glück ist das Einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt. Wenn wir etwas tun, dann tun wir es mit Leidenschaft. Gemeinsam einer Leidenschaft nachzugehen, ist wirklich ein Teil wahren Glücks. Jeden Tag versuchen wir, dieses Glück zu zeigen und auch andere damit zu infizieren. Natürlich gibt es auch mal graue Tage, aber an denen ist man nicht allein. Laufen und Liebe gehören zusammen und beides ist ein Teil von uns“, sagt Christiane. „Genau! Das Teilen dieser Leidenschaft ist in-sofern von Vorteil, dass man großes Verständnis für die Verrücktheiten des anderen aufweist. Wenn einer meint, um 4 Uhr morgens aufstehen zu müssen, um auf irgendeinen Gipfel zum Sonnenaufgang zu rennen, ist das sicher nicht bei jedem gern gesehen. In unserem Fall kommt da meistens nur ein: Geile Idee, kann ich mitkommen?‘“, lacht Matthias.

Dr. Ohana bestätigt: „Psychologisch gesehen steht bei sportlichen Aktivitäten wie Laufen die Handlung selbst im Vordergrund, bei der sich die Beteiligten fast wie von selbst näherkommen und sich „ungeschminkt“ kennenlernen können. Sie machen etwas, das sie mögen und das automatisch Gesprächsstoff bietet. Die freigesetzten Endorphine schaffen eine angenehme Atmosphäre, und man fühlt sich weniger beobachtet. Es geht nicht darum, perfekt zu sein oder das richtige Outfit zu tragen. Vielmehr schafft das erste gemeinsame Interesse für eine Sache eine gute Basis für weitere Dates oder gar eine Partnerschaft.“

„Couples who sweat together, stay together“, besagt ein englisches Sprichwort. Sicherlich (noch) eine gewagte These, dennoch ist der oben beschriebene Trend nicht von der Hand zu weisen. So ist das gemeinsame Laufen mit dem Partner zwar grundsätzlich eine sehr gute Sache, kann und soll aber keinesfalls erzwungen werden.

SPORT VERBINDET

Und Leidenschaft verbindet. Euphorie für eine Sache beeindruckt. Ein gesunder Lebensstil sowie eine gute körperliche Fitness bringen in den meisten Fällen Zufriedenheit. Und genau diese Zufriedenheit ist es, die von unserem Umfeld als angenehm und attraktiv wahr-genommen wird. Worauf warten Sie also noch? Überwinden Sie ihren Schweinehund, entschleunigen Sie den Alltag und spüren Sie die kalte Luft in den geweiteten Lungenflügeln. Erfreuen Sie sich an der Natur, der Ruhe oder guter Musik.

Genießen Sie jeden Ihrer Schritte und spüren Sie die Leidenschaft, nehmen Sie sie wahr. Ja, mit dem Laufen ist es wohl tatsächlich ein bisschen wie mit der Liebe: Eine Komposition aus vielen kleinen Dingen, die zusammen ein großes Ganzes in absoluter Einzigartigkeit ergeben. Und vielleicht lassen sich genau deswegen die Worte Laufen und Leidenschaft so schlecht voneinander trennen. Denn Laufen ist Leidenschaft und wer Leidenschaft spürt, der lebt … und liebt!

Die vorangegangenen Zeilen sollten Sie daran erinnern, dass erhöhter Puls und schneller Atem nicht nur auf Trainingseinheiten zurückzuführen sind. Sie sollen als Appell an die Leidenschaft für einander oder eine Sache dienen, an das bewusste Wahrnehmen erinnern und darauf hinweisen, dass es mit der Liebe vielleicht ähnlich ist wie mit der ein oder anderen Bestzeit: Sie kommt, wenn man vom Druck ablässt und gar nicht (mehr) mit ihr rechnet. Dies ist ein sehr persönlicher und vor allem ehrlicher Artikel, ergänzt um Expertenmeinungen und Statistiken. Ich wünsche Ihnen, werte aktivLaufen-Leser, ganz viel Liebe und Leidenschaft bei allem, was sie tun.

Das, was zählt, ist die Verbindung, die man zueinander hat, die Leidenschaft und die Gefühle füreinander. Ich bedanke mich bei Simon für seine Inspiration.

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