ILLUSTRATION Philipp Jordan

Willkommen im Klub!

Wenn die ganze Corona-Misere einen positiven Aspekt hat, dann wohl den, dass sie uns einen Haufen neuer Laufkolleginnen und -kollegen beschert hat. Ein kleiner Willkommensgruß an alle neu hinzugekommenen Läufer.

Plötzlich scheint der Mensch seinem Urinstinkt zu gehorchen, seinen Bewegungsdrang zu fühlen und sich in Laufschuhe zu zwängen, um das Freie zu suchen. Und dann sieht man sie in Parks, in der Natur und entlang der Straßen. Teilweise verrät die Ausrüstung die neu entdeckte Liebe zum Laufsport, manchmal ist es der Laufstil oder die Figur. Ich werde wohl sicher auch oft für einen Neueinsteiger gehalten (und das liegt leider nicht an meiner Ausrüstung). Viele von „den Neuen“ werden irgendwann nach dem Lockdown wieder von ihrem Alltag geschluckt werden und dann wohl auch das Laufen wieder an den Nagel hängen. Aber es werden sicher auch einige „hier“ bleiben. Und denen möchte ich die folgenden Zeilen widmen.

WILLKOMMEN!

Hallo, du bist also der oder die Neue. Es fühlt sich wohl noch alles ein wenig fremd an, diese Lauf-Welt. Aber keine Angst, wir beißen nicht, wir riechen nur ab und zu etwas streng nach Schweiß. Zuerst sollte man dir aber gratulieren. Du hast dir einen tollen Sport ausgesucht, den man fast immer und überall ausüben kann. Kein Studio oder Platz ist vonnöten. Kein spezielles Gerät, nur du, deine Schuhe und Kleidung. Du bist noch in den Flitterwochen. Eine tolle Zeit. Dein Körper wird sich rasant verändern. Die Fortschritte sind schnell zu spüren und zu sehen, die Distanzen werden größer und die Gehpausen seltener.

Die Lust aufs Laufen wird bald täglich in dir aufkommen. Du bist jetzt Läufer (bzw. Läuferin). Yeah! Egal wie schnell du läufst, egal wie weit du läufst: Wenn du läufst, bist du Läufer. Eigentlich ziemlich logisch. Es gibt massig Auswahl im Laufsport. Trail, Kurzstrecke, Marathon, Hindernislauf oder gar Ultramarathon, aber egal für welche Disziplin du dich entscheiden wirst, überall muss man im Grunde nur eine Sache machen: einen Fuß vor den anderen setzen.

LET’S GO FOR GOALS!

Ideal, um die neu gefundene Liebe nicht einschlafen zu lassen, ist das Buchen einer ersten Laufveranstaltung oder zumindest das Setzen eines Ziels. Bei den meisten fängt es mit einem Fünf- oder Zehn-Kilometer-Lauf an. Das ist sozusagen die Einstiegsdroge. Vielleicht kommst du ja irgendwann auch auf das harte Zeug (Marathon und Ultramarathon) und bleibst da hängen. So eine erste Laufveranstaltung kann übrigens durchaus spannend sein, aber um dir gleich deine größte Angst zu nehmen: Du wirst mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht als Letzter durchs Ziel laufen (wobei man dann meist einen richtig tosenden Applaus bekommt). Egal was du dir aussuchst, eine große Hilfe kann sein, das Training disziplinierter anzugehen. Man kann aber natürlich auch ein völlig erfülltes Laufleben haben, ohne je einen Wettkampf mitgemacht zu haben.

SOLO ODER IM TEAM?

Man kann das Laufen herrlich alleine genießen. Endlich Ruhe. Keine nervigen Arbeitskollegen, keine Partner, keine Kinder (mein Anwalt hat mir geraten, an dieser Stelle deutlich zu machen, dass ich all meine Partnerinnen und deren Kinder trotzdem sehr mag) – einfach nur du, die Natur und der Rhythmus deines gleichmäßigen Schrittes. Man ist nicht abhängig von anderen, auf die man warten müsste. Man kann immer völlig spontan kurz eine Runde drehen. Man kann aber auch das genaue Gegenteil machen.

Wer gerade mal keinen Bock auf sich selbst hat und auch noch durch ein langes tiefes Tal des Social Distancing gewandelt ist, sucht sich einfach einen Laufpartner, mit dem er sich dann gemütlich unterhalten und ablenken kann. Oder man schließt sich den vielen Lauftreffs an, die es mittlerweile in jeder Stadt gibt. Die ganz Harten melden sich direkt in einem Sportverein an und lassen sich von sadistischen Trainern auf der Bahn beim Intervalltraining bis nah an die Kotzgrenze pushen. Und unglaublicherweise macht selbst das irgendwie Spaß.

EIN PAAR WORTE, DIE ICH EUCH MIT AUF DEN WEG GEBEN MÖCHTE

Lass dich vor allem nicht von all den Informationen erschlagen, mit denen du zugeschüttet wirst. Nahrungsergänzungsmittel hier, Raumfahrttechnologie in einem Laufschuh da, all das ist erst mal nicht so wahnsinnig wichtig. Ich war auch nie ein Freund dieser Regeln und Etiketten, die man als Läufer beherzigen soll. Aber ein paar Tipps will ich dir trotzdem mit auf den Lauf-Weg geben:

• Egal wie schön warm man gerade ist, es ist nie wirklich nötig, an der Ampel wartend auf der Stelle zu joggen. • Auch wenn sich das Gerücht (gerade unter Kampfsportlern) hartnäckig hält: Man verbrennt nicht extra viel Fett, nur weil man extra viel schwitzt. Der dicke Kapuzenpulli kann also gerne zu Hause im Schrank bleiben.

• Erschrick nicht, wenn in einer Laufgruppe jemand lautstark ein Lüftchen lässt und alle so tun, als wäre nichts geschehen. Eine der schönsten Nebensächlichkeiten des Laufsports ist, dass wir nach der Devise „Alles raus, was keine Miete zahlt“ leben. Aber bitte nicht, wenn man an der Spitze läuft.

• Wenn dir dein Leben lieb ist, laufe auf Landstraßen lieber auf der linken Seite. So hast du den Verkehr immer im Blick und kriegst nicht jedes Mal einen Herzkasper, wenn eine Oma auf dem E-Bike mit 50 Sachen nur wenige Zentimeter an dir vorbeibrettert.

• Wir Läufer grüßen und duzen uns. Man darf aber gerne im Park in der Großstadt auf das Grüßen verzichten.

• Jeder Mensch ist individuell und anders, und du weißt meist am besten, was dir guttut. Das fängt beim Laufschuh an und geht beim Energieriegel weiter. Wenn du dich mit etwas wohlfühlst, kann es nicht falsch sein. Probieren geht über Studieren!

• Laufbücher, Zeitschriften und Filme machen Lust auf mehr. Du wirst nebenbei zum Fachmann bzw. zur Fachfrau und wirst inspiriert und motiviert.

• Bei längeren Läufen IMMER Klopapier mitnehmen! Ein paar Blatt in einer kleinen Plastiktüte reichen schon, können einem aber das Leben retten. Ich musste das auf die harte Tour lernen.

• Lass es nicht einschlafen! Es gibt immer mal Formtiefs und faule Zeiten, aber die kleine Runde geht immer. Wer sich Laufdates setzt, wird gar nicht erst in ein Lauf-Loch fallen.

Und jetzt raus mit euch! Glaubt mir, wenn ihr dranbleibt, werdet ihr ungekannte Glücksmomente erfahren. Ihr werdet vor Freude heulen, ihr werdet fluchen und manchmal sogar lachen. Ich übertreibe kein bisschen, wenn ich behaupte, dass das Laufen mein Leben verändert hat, es besser gemacht hat und mich zu einem glücklicheren Menschen gemacht hat. Das wird es bei euch auch schaffen. Versprochen!

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