Alter
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Laufen im Alter

Ob jung oder alt, die Laufwelt ist ein bunt gemischter Haufen. Warum die Lauffreude nicht immer völlig vom Lebensabschnitt abhängt oder warum beides manchmal eine positive Wechselwirkung hervorrufen kann, erfahrt ihr hier.

Generationenkonflikte gab es schon immer. Oft sind sie Motor für Veränderung. Wie ein Schleifstein für gesellschaftlich wichtige Themen. Und manchmal sind sie auch einfach nur von Emotionen wie Missgunst durchtränkte Konfrontationen.

Und auch wenn ich mich als lebensbejahenden Menschenfreund bezeichnen würde, überkommt mich schon oft die Lust – sobald ein jugendlicher Läufer in einer verboten schnellen Pace mit ekelhaft schweiß freiem Gesicht an mir vorbeihüpft – mein Bein auszustrecken und den kleinen Hipster genussvoll dabei zu beobachten, wie er sein Gesicht in den Schotter graviert. Das soll ihm eine Lehre sein! Seine Gesundheit, Fitness und Lockerheit mir hier so provokant und schamlos unter die Nase zu reiben!

Aber Spaß beiseite. Es lässt sich kaum leugnen, dass gewisse Sachen im Alter wesentlich anstrengender sind als in jungen Jahren. Das heißt aber natürlich nicht, dass man auch deutlich eingeschränkter wäre, was die Leistungsfähigkeit angeht. Natürlich wird man in Sachen Pace nicht mit jedem jungen Menschen mithalten können. Aber man kann zumindest meist dieselben Abenteuer erleben; Kann, muss oder darf jedes Abenteuer dann halt entsprechend länger genießen. Und ab und zu zieht bei Kilometer 35 eines Marathons ein alter Mensch mit weißem Haar an einer Person vorbei, die weder weiß, was eine Wählscheibe noch was ein Tamagotchi ist geschweige denn wie man es eine Woche am Leben hält.

Spät übt sich

Das Alter kann von Verschleißerscheinungen geprägt sein. Ob es die 2000 Marathons sind, die man sich über die Jahrzehnte in die Stelzen gelaufen hat oder einfach nur die langen Schatten einer früheren Lebensphase, die geprägt war von ungesunden Entscheidungen und Raubbau am Körper. Dagegen steht natürlich die Erfahrung, die man über die Jahre im Sport gesammelt hat. Die Abgebrühtheit. Die Zähe. Die Weisheit.

In welcher Sportart außer Laufen ist oben beschriebene Szene denn überhaupt denkbar? Wo kann man bis ins richtig hohe Alter noch Leistungen abrufen, an denen viele richtig junge Menschen scheitern, obwohl sie teilweise hart trainiert haben? Also Boxen und Formel 1 können wir nach reichlicher Überlegung schonmal ausschließen. Jeder Stadtmarathon ist Beweis dafür wie generationenumfassend unser Sport ist. Und das hat ja auch was beruhigendes, da es einerseits bedeutet, dass wir unsere geliebte Sportart in der Regel noch bis ins hohe Alter ausüben können, aber auf der anderen Seite auch ein deutlicher Indikator ist, dass dieser Sport uns mehr gibt, als er uns nimmt.

Leider gehöre ich der Gruppe an, die nicht seit der Jugend regelmäßig laufen waren. Ich hatte viele sportfreie Jahre und fing erst wieder an mich mit Sport auseinanderzusetzen, als ich mich als junger Vater (also Vater von jungen Kindern) im Spiegel kaum wiedererkannte. Diese Gruppe ist erstaunlich groß und ich kenne nicht wenige Geschichten, in denen die zweite Lebenshälfte wesentlich fitter gelebt wurde als in der ersten. Für diese Gruppe war der Laufsport ein lebensveränderndes Ereignis. Ein Schnitt in ihrem Leben. Eine nicht zu leugnende Lebensqualitätssteigerung.

Im Alter: Wartung statt Aufbau

Was alt und jung bei näherer Betrachtung vor allem zweit, ist das drumherum. Während sich junge Menschen nach einer langen Partynacht morgens gerne mal spontan entscheiden einen Halbmarathon zu laufen (und man ihnen die Feierstunden weder ansieht noch an ihrer Leistung spürt), nur um in Anschluss noch mit Freunden Fußball zu spielen, sieht es bei den alten Hasen meist anders aus. Da wird wochenlang mit jedem Quäntchen Energie hausgehalten. Die dünne Linie zwischen Übertraining und Einrosten immer fest im Blick, werden Pülverchen geschluckt und Regenerationsübungen auf der Fitnessmatte geturnt, als ginge es ums nackte Überleben.

Generell scheint mit ansteigendem Alter eine proportional hohe Menge an abenteuerlichem Sportspielzeug den Weg ins heimische Wohnzimmer zu finden. Ich habe auch ein paar „Kettle Bells“ neben dem TV stehen. Ist ja auch irgendwie dekorativ und strahlt unendliche Härte aus. Leider ist neben dem zur Verfügung stellen von Fläche, auf der sich Staub sammeln kann, Dekoration die einzige Aufgabe, die sie noch erfüllen. Und während das Jungvolk auf Skateboards durch ihren Kiez „cruised“, hampeln wir Älteren wild mit den Armen fuchtelnd auf Balance Boards rum, in der Hoffnung, dass da irgendwo ganz tief versteckte aber untrainierte Muskelgruppen wachsen, die uns endlich die jugendliche Agilität zurückgeben. Mike Fremont ist auf jeden Fall lebender Beweis, wie weit man es treiben kann, läuft er mit immerhin 100 Jahren noch immer Marathons.

Hauptsache fit

Und gibt es eine Untergrenze? Da wird es schon komplizierter, weil sofort ein Verantwortungsaspekt mit dazu kommt. Wer den Film „Marathon Boy“ aus dem Jahre 2010 gesehen hat, wird das auch sehr gut nachvollziehen können. In der Dokumentation folgen wir „Budhia“, einem vierjährigen indischen Waisenjungen, der von einem übereifrigen Judotrainer „entdeckt“ wird. Der Junge wurde als rennender Volksheld gefeiert. Bei einem 65 Kilometer Lauf kollabierte er und brach zusammen.

Es ist das eine, ob wir Erwachsenen uns, wenn wir nah an unsere Grenzen gehen, übergeben oder ob das eben ein Junge von vier Jahren tut, der von geldgierigen Vertrauenspersonen weit über seine Grenzen getrieben wurde. Ich glaube schon, dass auch ein 12-jähriger Mensch mit entsprechend langem Aufbautraining einen Marathon laufen könnte. Aber trotzdem verstehe ich, warum es eine Altersbeschränkung bei offiziellen Laufveranstaltungen gibt. Denn zu gut weiss ich, wie weit überambitionierte Eltern gehen können. Geht es allerdings einfach nur um den Laufsport, die gemeinsame Runde mit den Kindern, so glaube ich, kann man gar nicht früh genug anfangen.

Ich habe seit Jahren nur noch einen großen Wunsch: Ich möchte bis ins hohe Alter laufen können. Ich sehe immer wieder sehr alte laufende Menschen. Und sie strahlen eine unglaubliche Gesundheit, Zufriedenheit und Glückseligkeit aus. So möchte ich auch aussehen. Und vielleicht habe ich dann ja Enkelkinder, die mich ein paar Kilometer begleiten? Man wird ja noch träumen dürfen. (Text: Philipp Jordan)

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