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Der Frühling ist da!

Nach einem Winter, in dem vereiste Pfade viele Läufer in alternative Bewegungsformen getrieben haben, steigt im Frühling wieder die Lauflust. Stoffwechsel, Thermoregulation und Training müssen nun auf Sommerbetrieb umgestellt werden.

Im Winter entwickeln über 60 Prozent der Deutschen einen latenten Vitamin-D-Mangel. Die Ursache liegt im niedrigen Sonnenstand und unserer temperaturgemäßen Bekleidung. 90 Prozent der Vitamin-D-Produktion erfolgt über die UV-abhängige Eigensynthese in der Haut. Im Winter ist die Strahlungsintensität der Sonne zu gering und wir zeigen viel zu wenig Haut, um genug Vitamin D produzieren zu können. Vitamin D ist für den Kalziumeinbau (Knochenstabilität), die Muskelarbeit (einschließlich Herz), die Blutgefäß-Elastizität und das Immunsystem essenziell. Unterversorgung bedeutet für Läufer Leistungsverlust und erhöhte Verletzungsrisiken. Das für den Menschen relevante Vitamin D3 (Colecalciferol) liefern nur einige tierische Lebensmittel. Die Älteren werden sich an den widerwillig einverleibten Löffel Lebertran – eine Vitamin-D3-Bombe – erinnern, der wegen Überdosierungsrisiken nicht mehr up to date ist.

Im heutigen Nahrungsangebot bieten einzig Fettfische ergiebige Vitamin-D3-Quellen – Milch und Eier liefern deutlich weniger. Den Tagesbedarf von 20 Mikrogramm allein über die Nahrung zu decken, ist realitätsfern. Entscheidend ist die „häutige“ UV-B-abhängige D3-Eigenproduktion. Dick „eingemümmelt“ gelangt auch auf langen Läufen an wolkenlosen Wintertagen kaum Sonne an die Haut. Zudem ist die UV-B-Intensität aufgrund des tiefen Sonnenstandes zu niedrig, um die Vitamin-D3-Eigensynthese auf Touren zu bringen. In Winter leben wir von dem im Sommer angelegten Vitamin-D-Vorrat. Für jeden Läufer heißt das im Frühling: Haut zeigen – D3-Depot auffüllen! Da Sonnencreme auch das UV-B herausfiltert, sollten größere Hautbereiche (Arme, Beine, Gesicht) 10 bis 15 Minuten täglich ungeschützt exponiert werden. Danach aber unbedingt an Sonnenschutz (Schutzfaktor hauttypabhängig) denken. Auch UV-B steigert hochdosiert das Hautkrebsrisiko!

Solarien tabu

Das einzig Gesunde an Solarien ist der große Bogen, in dem man um sie herumjoggt! Wer hofft, mit dem Vorbräunen im Sonnenstudio seinen über den Winter verarmten Vitamin-D-Haushalt auf Vordermann zu bringen und überdies seiner Haut erhöhten Sonnenschutz für die Freiluftsaison zu verleihen, erliegt einem doppelten Irrglauben. Die Werbeversprechen, mit künstlicher UV-Strahlung ließe sich einem Vitamin-D-Mangel begegnen, sind schlichtweg falsch! Das von „Kunstsonnen“ emittierte bräunende UV-A induziert keine Vitamin-D-Bildung, und für den Sonnenschutz ist nicht der Bräunungsgrad, sondern die sogenannte Lichtschwiele verantwortlich. Dies ist eine Verdickung der Oberhaut als Schutzreaktion auf UV-B. Solarien-UV-A dringt tief in die Haut ein, lässt sie durch Kollagen- und Elastinschädigung altern und fördert die Entwicklung des metastasierenden Schwarzen Hautkrebses (Melanom).

Der Wissenschaftliche Ausschuss für gesundheits-, Umwelt- und Schwellenrisiken (SCHEER) der Europäischen Kommission hat jüngst die Warnung des Bundesamtes für Strahlenschutz erneuert: „Der Zusammenhang zwischen Solariennutzung und Hautkrebserkrankungen ist eindeutig […] es gibt keine gesundheitlich sichere UV-Bestrahlung in Solarien.“

Lenz-Food

Das „Heizen“ bei Minusgraden zum Aufrechterhalten der (Körper-)Temperatur ist energetisch aufwendiger als das Herunterkühlen im Sommer. Wärme produzieren die Muskeln und das durch hohen Mitochondriengehalt braune Fettgewebe. Das weiße Unterhautfett sorgt für gute Isolation. Der Organismus signalisiert seine Bedürfnisse durch einen in der kalten Jahreszeit gesteigerten Appetit auf Deftiges mit höherem Fett- und Eiweißgehalt. Wer im Winter verstärkt an seinem Muskelaufbau arbeitet, muss besonders auf ausreichende Proteinversorgung achten.

Mit dem Frühlingserwachen wandelt sich das kulinarische Blatt. Vor dem Start in die Laufsaison gilt es, die Kohlenhydratspeicher (Glykogen-Depots) in Muskeln und Leber gut zu befüllen. Low-Carb – für Läufer ohnehin problematisch – ist jetzt besonders kontraproduktiv. „Gute“ komplexe Kohlenhydrate aus Vollkorngetreide (Brot, Nudeln, Reis), Kartoffeln und Hülsenfrüchte gehören neben den Vitamin-/Mineralienspendern Gemüse und Obst auf des Läufers Speiseplan. Bei Ein-/Zweifachzuckern aus Süßigkeiten, Softdrinks oder Weißmehlprodukten sollte wegen der ungünstigen Insulin- und Blutzuckerwirkungen ganzjährig Zurückhaltung gewahrt bleiben.

Volle Glykogenspeicher für volle Leistung! Für „Low-Carb“ im Sinne des Verzichts auf komplexe Kohlenhydrate sind Läufer die falsche Klientel. Besonders im Frühjahr gehören Vollkornprodukte auf den Speiseplan.

Wettkampfgewicht im Frühling erreichen

„Frühjahrsdiäten“ – wie sie einschlägige Magazine füllen, sollten Läufer(innen) ignorieren. Auch wenn die Weihnachtstage eine gewisse Distanz zum Wettkampfgewicht gelegt haben, sind die nun wieder häufigeren und längeren Laufeinheiten der gesündere und nachhaltige Weg. Drastische Einschränkung der Kalorienaufnahme schwächt gerade jetzt die Leistungsfähigkeit und regelt den Grundumsatz binnen weniger Tage herunter. Das Drehen an der Energieverbrauchsschraube im Frühling ist der bessere Weg.

Diäten mit deutlich reduzierter Kalorienzufuhr beantwortet der Organismus rasch mit Umstellung auf den Hungerstoffwechsel. Wir kochen auf „Sparflamme“, der Grundumsatz wird heruntergeregelt und für nicht lebenswichtige „Luxusaktivitäten“ wie Sport wird keine Energie „verschwendet“. Umgekehrt benötigt das Wiederhochfahren des Grundumsatzes nach der Diät deutlich länger. Jede jetzt angebotene Kalorie wird besonders wirkungsvoll in die Fettdepots eingelagert. Der Jojo-Effekt verschont auch Läufer/innen nicht.

Gerade erst Frühling – gleich wieder (frühjahrs)müde!

Keine Frühlingsgefühle, kein „Bäumeausreißen“, stattdessen abgeschlagen und antriebslos. Das Phänomen „Frühjahrsmüdigkeit“ ist nicht eindeutig geklärt. Nicht Betroffene halten es oft für einen Mythos. Was sagt die Wissenschaft? Gibt es eine genetische Veranlagung, einen frühjahrsmüden Stoffwechseltyp, oder steckt die Psyche dahinter? Kein Mythos, aber auch keine Krankheit! Für die mit der Tageslänge zunehmende Abgeschlagenheit gibt es hormonelle und neuronale Gründe. Wie stark die Symptome wahrgenommen werden, ist vor allem eine Frage der vegetativen Nervenregulation.

Tagsüber müde, gestörter Nachtschlaf, Kreislaufprobleme, Schwindel, Gereiztheit, Kopfschmerzen, depressive Verstimmung. Frühjahrsmüdigkeit hat viele Facetten. Hormonelle Anpassungsprobleme an veränderte Licht- und Temperaturverhältnisse und ein sensibles Nervensystem stehen im Zentrum des Geschehens.

Kampf der Hormone

Zwei physikalische Faktoren – Tageslicht und Temperatur – erfahren im Frühjahr deutliche Veränderungen, auf die der Organismus adäquat reagieren muss. Bei manchen Menschen läuft das nicht reibungslos. Besonders die Neueinstellung der Balance zweier „antagonistischer“ Hormone spielt dabei eine große Rolle: Das „Schlafhormon“ Melatonin und das „Fit- und Laune-Hormon“ Serotonin. Beide können im Körper unter dem Einfluss von Licht ineinander umgewandelt werden. Im Winter erhält die Melatoninproduktion durch die Dominanz der dunklen Stunden ein deutliches Übergewicht. Wir schlafen länger, haben ein erhöhtes Ruhebedürfnis. Die „Novemberdepression“ (meist „nur“ eine depressive Verstimmung) ist vielen bekannt. Mit zunehmender Tageslänge und Lichtintensität im Frühjahr verschiebt sich das Melatonin-Serotonin-Gleichgewicht auf die Seite des „Aktivators“. Wie problemlos das gelingt, ist individuell unterschiedlich, zumal Licht- und Temperaturverhältnisse im März/April oft Kapriolen schlagen. Dieses äußere „Auf und Ab“ bereitet sensitiven Menschentypen (s. u.) Beschwerden.

Frühling bringt wärme – aber Blutdruck im Keller

Wir freuen uns über steigende Temperaturen. Sie veranlassen unser Zentralnervensystem zum Weitstellen der Blutgefäße – gut für die Organversorgung. Gemäß physikalischer Gesetzmäßigkeit  sinkt mit größerem Gefäßdurchmesser der Blutdruck. Auch das ist gesund. Wer aber ohnehin bereits ein „Hypotoniker“ (Niedrigblutdrucktyp) ist, wird durch den weiteren Blutdruckabfall schläfrig. Das ist nicht gefährlich, aber auch nicht angenehm.

Vagotoniker besonders sensibel Schnelle Wetteränderungen – typisch für die Frühlingsmonate – mit großen Temperatur- und häufigen Hoch-Tiefdruckwechseln machen vielen Vagotonikern zu schaffen. Dieser oft feingliedrige, für Ausdauersport geeignete Typ ist in der Läuferszene weit verbreitet. Das Eingeweidenervensystem (Vegetativum) gliedert sich in: • Parasympathikus (Vagus): „Bremspedal“, Ruhenerv • Sympathikus: „Gaspedal“, Aktivnerv Vagotoniker sind eher sensible Ruhetypen, oft wetterfühlig und frühjahrsmüde, aber ausdauernd und gesund! Der bei Vagotonikern dominante Parasympathikus tritt aufs Bremspedal, fährt Blutdruck und Puls herunter und erschwert eine ausgewogene Balance mit dem aktivierenden Sympathikus. Vagotone Frühjahrsmüde klagen oft auch über Wetterfühligkeit.

Vagotonie
• ist ein Zustand – keine Krankheit
• ist unter Läufer(inne)n (niedriger Blutdruck und Ruhepuls) weit verbreitet.
• wird durch Ausdauersport gefördert

Der Frühling erwacht – Was hilft?

Wer läuft, sich überhaupt viel bewegt, vollzieht bereits den wichtigsten Therapieschritt. Wenngleich Ausdauersport insgesamt den beruhigenden Vagotonus fördert, ist Laufen in der frühjahrsmüden Situation der beste Wachmacher. Aber auch regelmäßiges Krafttraining ist nicht zuletzt wegen der situativ blutdrucksteigernden Wirkung zu empfehlen. Da Vagotoniker nicht selten entgegengesetzt der „Norm“, etwa auf Kaffee mit Müdigkeit (Rebound nach Koffein-Kick) oder auf Baldrianpräparate mit Wachheit (Alkoholzusatz), reagieren, sind Selbsttests gefragt. Fast alle aber profitieren vom Gefäßtraining durch den Wechsel von Warm- und Kaltreizen. Saunieren und tägliche Wechselduschen mit abschließender Kaltphase stärken zudem das Immunsystem – stimmt das eigentlich wirklich?

Kalt duschen härtet ab – oder?

Frühlingszeit ist Grippezeit – Hochleistungssportler sind oft immungeschwächt und daher anfällig. Die „Warmduscher“ graut’s – die anderen (darunter der Autor) lieben den belebenden Kältekick und das Hochgefühl danach. Niederländische Wissenschaftler haben jüngst über 3.000 Erwachsene zwischen 18 und 65 auf gesundheitliche Effekte das Kaltduschens untersucht. Unabhängig von der Duschdauer (30, 60, 90 Sekunden) sank die Krankmeldungsrate der Kaltduscher in der Beobachtungszeit gegenüber den Warmduschern um 29 Prozent. Jeder Fünfte brach das Kaltduschen wegen Unbehagens ab, fühlte sich unter und nach einer warmen Dusche wohler. Objektiv messbar (weißes Blutbild) ist weder eine immunstärkende noch eine negative Kältewirkung. Fazit: Wer das Kaltduschen mag, den vitalisiert es. Überzeugte Warmduscher müssen aber keine Immunschwächung oder erhöhte Infektanfälligkeit befürchten. Bei Frühjahrsmüdigkeit ist der Kaltreiz selbst bei „Weicheiern“ oft erstaunlich wirksam. (Text: Dr. Stefan Graf)

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