Mina Guli – Wasser als Motor
Die Ultra-Läuferin Mina Guli hat sich auf den Weg gemacht: 200 Marathons stehen auf dem Plan. Laufend will die Aktivistin damit auf die globale Wasserkrise aufmerksam machen.
Ein Jahr – 200 Marathons und das rund um die Welt. Mina Guli hat sich eine riesige Aufgabe aufgehalst. Doch ihr Projekt ist weit mehr als eine persönliche Challenge. „Ich laufe 200 Marathons in einem Jahr, weil die Welt immer noch die Augen verschließt, wenn es um unsere sich verschlimmernde Wasserkrise geht“, sagt die Australierin. „Ich laufe absurde Distanzen, da es absolut absurd ist, dass Menschen immer noch der Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Anlagen fehlt“, erläutert sie ihr Laufziel. Es ist eine einjährige Reise rund um die Welt, entlang von Seen, auf schmelzendem Eis und an ausgetrockneten Flussufern.
Die Geschichte des Wassers
Auf diese Weise möchte die Aktivistin laufend und mit den Bildern ihres Teams sowie persönlichen Stories von unterwegs die Geschichte des Wassers auf unserem Planeten erzählen und zeigen, wie knapp dieses ist und dass es immer knapper wird, wenn nicht gehandelt wird. Auf ihrer Website erklärt die Frau aus Melbourne, dass sie laufe, damit Wasser bei globalen Debatten über Nahrungsmittel- und Energiesicherheit, Klimaschutz sowie nachhaltige Entwicklung ganz oben auf der Agenda erscheine. Sie setzt also – auf das Simpelste heruntergebrochen – Bewegung ein, damit sich etwas bewegt. „All diese Marathons zu laufen ist hart, aber nicht unmöglich – genau wie die Maßnahmen, die Regierungen und Firmen ergreifen müssen, um die globale Wasserkrise zu bewältigen. Ich laufe, da ich persönlich so den größten Einfluss nehmen kann.“
Mina Gulis Marathon-Jahr ist Teil der globalen „Run Blue“-Kampagne, die unter anderem von den Niederlanden und Tadschikistan, der WWF sowie Unternehmen wie Bayer unterstützt wird. Im Vorfeld der UN-Wasserkonferenz soll so das Bewusstsein für die weltweite Wasserkrise geschärft werden. Der Gipfel findet Ende März in New York statt und ist der erste dieser Art seit fast 50 Jahren. Mina beendet ihren 200. Marathon am 22. März – dem Tag, an dem die Konferenz startet – auf den Stufen des UN-Hauptquartiers in New York. Ein Jahr zuvor hat sie ebenfalls am 22. März in Australien die ersten 42,195 Kilometer ihrer „Run Blue“-Mission abgespult. Der 22. März ist seit 1993 als Weltwassertag bekannt.
Späte Liebe
Dass eines Tages überhaupt einen Marathon laufen würde, hatte sich in Minas Jugend wirklich gar nicht angedeutet. „Ich war das Kind in der Ecke, das niemand ins Sportteam wählen wollte. Ich konnte nicht laufen, ich konnte nicht schwimmen und auch als Radfahrerin war ich schlecht“, berichtet Mina auf ihrer Website. An der Uni war es dann ein Unfall, der ihre Beziehung zum Sport veränderte. Bei einem Unfall im Schwimmbad verletzte sie sich so stark am Rücken, dass man ihr sagte, sie könne nie wieder rennen. Eigentlich hätte sie damit endgültig einen Haken an sämtliche Sportversuche machen können. Doch Mina begriff diesen Tiefpunkt als Chance, ihre Grenzen neu zu definieren. Sie begann ernsthaft mit dem Schwimmen, nahm dann noch das Radfahren hinzu und komplettierte ihre neugewonnene Ausdauerleidenschaft bald mit dem Laufen. Die medizinischen Prognosen waren widerlegt.
Zu der Zeit beginnt sie einen Job als Anwältin bei einer Firma in Melbourne. Dort brachte sie der Zufall mit dem Thema des Klimawandels zusammen. Niemand in ihrem Arbeitsteam hatte Interesse an einem Projekt rund um das Thema gezeigt und so war sie hineingerutscht. Ohne dass sie es damals ahnen konnte, nahm damit ihr Weg zur Klima- und insbesondere Wasser-Aktivistin Fahrt auf – ein Weg, der sie außerdem schon vor ihren Marathons um die Welt führen sollte. Die Australierin arbeitete unter anderem in London und Peking.
Mina gründet „Thirst Foundation“
Im Jahr 2012 gründete sie die „Thirst Foundation“ – eine Non-Profit-Organisation rund um das Thema Wasser. Es folgten die ersten Ultralauf-Ideen, um mehr Sichtbarkeit für die Problematik zu generieren. Im Jahr 2016 lief Mina bereits 40 Marathons in sieben Wüsten, auf sieben Kontinenten und alles innerhalb von sieben Wochen. Im Jahr darauf waren es 40 Marathons entlang von sechs Flüssen in einer Zeit von 40 Tagen. Ihr Versuch, im Jahr 2018 stolze 100 Marathons in 100 Tagen zu finishen, scheiterte an Tag 62. Doch Menschen aus den verschiedensten Teilen der Welt sprangen ein und komplettierten so die 100. Schon da wurde ihr klar, wie wichtig auch bei diesen Mammut-Solo-Abenteuern der Community-Aspekt ist.
Diese Community folgt auch bei dem jetzigen Vorhaben ihren Beiträgen auf Instagram und applaudiert, wenn sie wieder einen Marathon mehr geschafft hat und lächelnd ein Schild mit einer immer höheren Zahl in die Kamera hält. Als es das Schild mit der Nummer 165 war, meldete sich Mina aus Brasilien mit ungeschönten Schilderungen ihres Seelenlebens zu Wort: „Viele von euch haben mich gefragt, wie es mir körperlich und geistig geht. Um ehrlich zu sein, sind meine Knie immer noch verletzt und geschwollen und ich fühle mich ein wenig müde. Die Realität ist natürlich, dass ich neben dem Marathonlauf Partner treffe, mir die Geschichten von Menschen anhöre, die direkt von der fehlenden Wasserinfrastruktur betroffen sind und von einer Stadt zur nächsten reise. Das hat enorme emotionale und körperliche Auswirkungen.“ Doch die Gewissheit, dass so viele Menschen – ob virtuell oder sogar persönlich – mir ihr ins Ziel kommen werden, bringe sie dazu, immer weiterzumachen.
Die turbulente Reise von Mina Guli
Direkt zu Beginn ihrer Marathon-Weltreise, als sie zuhause in Australien lief, hatte sie mit Erbrechen und einem Hitzschlag zu kämpfen. Während einer Etappe in Jordanien musste sie sich mit Muskelfaserrissen und Prellungen der Hüfte herumschlagen. An einem anderen Ort kamen Magen-Darm-Probleme dazu. Wunderbar bildlich fasst Mina all das als eine turbulente Reise voller Lebenslektionen zusammen, „die mir von unserem epischen Planeten und seinen Bewohnern erteilt wurden, von dem unglaublichen Team, das mich durch die unvermeidlichen Höhen und Tiefen begleitet hat und von meinen eigenen Erfahrungen, die viel bunter und herausfordernder waren, als ich je erwartet hatte – und die mich auf eine Art und Weise geprüft haben, die ich mir unmöglich hätte vorstellen können – mental, physisch und emotional.“
Während der Hitzewelle, die im vergangenen Sommer London im Griff hatte, stand die Aktivistin im Flusslauf der Themse. Dort wo sonst trübes Wasser fließt, war es trocken. Auch in Usbekistan erlebte sie die aktuellen Probleme hautnah – als sie die Kadaver von unzähligen Fischen im ausgetrockneten Aralsee sah. Mit dem Mekong in Südostasien lernte die Läuferin einen durch Industrie und Sandabbau gefährdeten Fluss kennen. Im Amazonas sah sie mit eigenen Augen, wie sehr der dortige Wasserkreislauf bedroht ist. Es gab aber auch Beispiele, die Mina freudig stimmten. In Kroatiens größtem Nationalpark „Plitvicer Seen“ bewunderte die Australierin im Vorbeilaufen kristallklares Wasser und dichte Wälder. Und sie beließ es nicht nur dabei, die Natur zu betrachten. Überall wo sie lief, standen sie und ihr Team auch in Kontakt mit den Leuten vor Ort. In Brüssel hieß das zum Beispiel, dass sie nach ihrem Marathon zu Pieter Elsen in ein Kayak sprang. Der Belgier fischt auf seinen Runden Müll aus dem Kanal.
Verschiedene Orte, verschiedene Zeiten
So verschieden die Orte auch aussehen, die Mina seit vergangenem März besucht hat, so verschieden sind auch ihre jeweiligen Marathonstartzeiten. Um der sengenden australischen Hitze etwas zu entkommen, schnürte sie dort bereits um zwei Uhr morgens die Schuhe. In der Türkei war es zumeist vier Uhr morgens. Für besondere Anlässe warf sie aber gerne alle zeitlichen Pläne um. In Südafrika taktete sie einen Marathon so, dass sie sich einer lokalen Laufcrew anschließen konnte. Ein Datum sorgte allerdings für keine Änderungen im Ablauf: Minas 52. Geburtstag am 10. Oktober – diesen beging sie mit Laufschuhen an den Füßen und einem Marathon auf dem Programm.
Mehr Infos zu Mina Gulis Laufabenteuern gibt es auf ihrer Website und ihrem Instagram-Account: www.minaguli.com
www.instagram.com/minaguli
Wer weitere Infos zur UN-Wasserkonferenz sucht wird hier fündig: www.unwater.org
Mina wurde auf ihrem Jahr um die Welt konstant von einem Team begleitet, dazu gehörten unter anderem Kameraleute, die je nach Region wechselten.