Pulsuhren
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Mit Pulsuhren kontrolliert ans Limit

Als Mitte der 90er die ersten hochroten Jogger mit wild piepsendem Gerät am Handgelenk an einem vorbeigerauscht sind, waren Pulsuhren eher elektronischer Spielkram für Trainingsnerds, die fleißig ihre Pulsobergrenze ignorierten. Wie aktuell hier der Stand der Technik ist und was die neusten Geräte alles können.

Im letzten Jahr feierte die kabellose Pulsmessung im Sportsektor ihren 40. Geburtstag. Die finnische Pionier-Firma Polar ist bis heute Big Player im Bereich der Pulsuhren und Smart Coaches. Die enorme technische Weiterentwicklung der Geräte seitdem, der allgemeine Fitnesstrend und die Verschmelzung von Training, Elektronik, Alltag, Biodaten, künstlicher Intelligenz und Gesundheit haben dazu geführt, dass man Pulsuhren und die sogenannten „Wearables“ heute lange nicht mehr als Gadget für Leistungssportler oder Spielerei für Leute wahrnimmt, die genau das gerne wären.

Fast jeder Elektronikhersteller im Bereich Unterhaltung oder Gesundheit hat sich mittlerweile an solch einem Gerät versucht. Gerade deshalb ist es sehr erstaunlich, dass nur ein sehr elitärer Kreis aus dem einstigen Monopol von Polar hervorgegangen ist. Man muss hier zwischen gesundheitsorientierten Modellen und Pulsuhren mit Funktionen zum gezielten Leistungsaufbau unterscheiden. Wirklich ernsthaft in letzterem Sektor unterwegs sind nur Garmin, Suunto, Vorreiter Polar und seit knapp drei Jahren auch noch Coros. Sigma bietet mit der „iD.free“ ordentliche Hardware, aber mit zu schwacher Auswertungssoftware. Bei Wahoo und seiner „Element Rival“ ist es ähnlich, Datenlage und Trainingsprotokoll sind gerade in Verbindung mit dem Wahoo-Radergometern eine tolle multisportive Unterstützung, ein wirkliches Coaching am Handgelenk findet hier (noch) nicht statt. Smartwatches wie die von Apple werden an der Stelle oft als Alternative mit angeführt, die Abhängigkeit vom Smartphone, die viel zu kurze Akkuleistung und gesundheitsorientierte Datenaufbereitung schließen solche Alltagsgeräte für uns Läufer aber aus.

Pulsuhren – das kann die Elite

Pulsuhren können mittlerweile viel mehr, als die Herzfrequenz zu messen und bei Überschreiten von Ober- und Untergrenze wild zu piepsen. Einige Modelle verschmelzen sozusagen den Begleiter bzw. das „Kontrollorgan“ während des Trainings mit dem eher für Überwachung von Gesundheit, Erholung und Alltag zuständigen Fitnesstracker. Denn, das ist eine der Erkenntnisse der Sportwissenschaft der letzten Jahre: Nicht nur das korrekte Setzen von Belastungen bringt den größten Effekt für die Form, erst genauso lange und richtig eingebaute Entlastungen und Ruhephasen ergeben in Kombination den Leistungssprung. „Mehr hilft mehr“ gilt also in beide Richtungen.

Und während einem Profisportler das von seinem gut ausgebildeten Trainer auch regelmäßig vorgehalten wird, verlieren sich Amateure allzu oft in ihrer Übermotivation, stagnieren mittelfristig in ihrer Entwicklung oder fangen sich langfristig sogar Überlastungsschäden und Leistungseinbußen ein. Hier kommen die Minicoaches am Handgelenk ins Spiel. Ihre Stärken vollends ausspielen können die zwar auch erst in Verbindung mit einer App, aber was man allein schon über das rund zwei Zoll kleine Display erfährt, dafür hätte man zu Zeiten des ersten Polar-Modells ein Hightech-Labor und zwei Vollzeit-Trainer gebraucht.

Wichtig: Besonders die Modelle von Suunto, Coros und Garmin sind voll mit Features zur Musikwiedergabe, Steuerung von Anrufen, Nachrichten oder sogar einer Kamera, mit Bezahlfunktionen und quasi allem, was an sich Smartwatches ausmacht.

Ermittelt werden folgende Daten:

  • Herzschläge inklusiv dem exakten Abstand zueinander
  • EKG-Verlauf
  • Hauttemperatur
  • Atemfrequenz
  • Sauerstoffsättigung des Blutes
  • GPS-Position
  • exakte Zeit
  • 3D-Bewegungen des Sensors/Sportlers im Raum
  • physische Leistung
  • Luftdruck bzw. Höhe über NN

Zu erwähnen sei, dass nicht alle Modelle auch alle diese Daten erfassen, teilweise braucht es dazu zusätzliche Sensoren. Aus diesem Grundstock an Messgrößen leiten die Uhren unglaublich viele weitere Daten ab. Auf alle Funktionen hier im Einzelnen einzugehen, würde den Artikel sprengen, so ausgefeilt sind die Coaches am Handgelenk.

Etwas vereinfacht erklärt: Algorithmen errechnen aus den persönlichen Daten die Höhe der Belastungen (Länge, Strecke, Puls, Höhenmeter, Körpergewicht, Sportart etc.), den aktuellen Fitnessgrad (Herzfrequenzvarianz, durchschnittliche Leistung, Ruhepulsverlauf etc.) und die jeweilige Erholung nach Belastungen (Ruhepulsverlauf, Schlafzyklus und -menge, Atemfrequenz, Körpertemperatur etc.). Eigentlich sind sogar diese Berechnungen der eigentliche Star hinter den Geräten selbst. Die Empfehlungen zu Belastung, Pausen und Zyklisierung des Trainings sind natürlich nicht so individuell und präzise wie nach regelmäßigen Leistungstests und von einem persönlichen Trainer, sie sind als Ergebnis aus hunderter und tausender solcher Tests aber eine überraschend präzise Ableitung.

Das leisten die Oberklassemodelle

Wer jetzt schon über die Präzision und die Qualität der Geräte staunt – das ist natürlich lange nicht alles. Und da sich die Sensorik in Präzision und Umfang bei den Modellen nicht arg unterscheidet, sind es eher Aufbereitung, Darstellung und praktischer Nutzen der Daten, die den Unterschied zwischen den Modellen ausmachen. Dazu kommt das Zubehör. Wer ausschließlich mit der Uhr laufen will, dürfte mit der Polar super zufrieden sein. Ihre Werte und vor allem die Empfehlungen zu weiterer Belastung und Erholung liegen für Sportler mit leistungsorientiertem Hintergrund unserer Analyse zufolge am präzisesten an den Weisungen, die ein menschlicher Coach geben würde. Es ist eben eine reine Sportuhr.

Wer in mehreren Sportarten zuhause ist, profitiert vor allem bei Garmin vom umfangreichen Zubehör, top Grafiken und den voreingestellten Sportprofilen. Wie von Polar gibt es zusätzlich Radpedale zur Messung der Tretleistung, darüber hinaus Lauftechniksensoren und einen Brustgurt, der sogar beim Schwimmen funktioniert! Suunto stammt aus der Outdoorszene und glänzt deshalb mit einem hervorragenden GPS und vielen Features zum Bergsteigen oder Wandern. Wer gerne wirklich alles in einem Modell hat, von der EKG-Ableitung bis hin zum riesigen Musikspeicher, großem Display und Akku sowie innovativer Bedienung, dafür das wuchtige Gehäuse in Kauf nimmt, kann seine „normale“ Uhr einfach einmotten und das sehr repräsentative Modell des Neulings Coros anlegen. Wichtig: die Dimensionen der Uhr beachten! Wuchtige Uhren verbessern im Allgemeinen die Akkulaufzeit und Sichtbarkeit des Displays, sind außerdem oft robuster. Beim Intervall-Training fällt aber jedes Gramm am Handgelenk auf und der Sitz eines breiten Gehäuses an zarten Unterarmen ist oft weniger bequem.(Text: Timo Dillenberger)

Kleiner Tipp: Weitere Texte zum Thema Training findest du hier.

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