Sauerstoffsättigung

Was bedeutet Sauerstoffsättigung?

Seit die kleinen digitalen Helfer am Handgelenk quasi eine halbe Klinik ersetzen, prasseln auch medizinische Werte auf uns User ein, die bislang eher an Ärzte adressiert waren. Was sagt uns die Sauerstoffsättigung und welche Mythen gibt es?

Dass der Sauerstoff bei der Entstehung und Zusammensetzung von Ausdauerleistung eine absolute Kernrolle spielt, das ist nicht nur wissenschaftlich bewiesen, sondern auch in aller Munde. Bei der Nutzung des zugehörigen Fachvokabulars und der Einordnung der diversen damit in Zusammenhang stehenden Werte sind viele Hobbysportler aber noch etwas schwach auf der Brust.

Um mal zu Beginn ganz global zu bleiben: Die beiden Hauptvokabeln Sauerstoffsättigung und -aufnahme hängen wenig bis gar nicht miteinander zusammen. Eine Couchpotato mit miserabler Sauerstoffaufnahme kann trotzdem eine Sättigung von 99 Prozent erreichen, das bringt ihm oder ihr leistungstechnisch jedoch nur wenig. Andersrum kann ein Top-Sportler mit wahnsinnig hoher O2-Aufnahme bei der Sättigung auf 80 Prozent fallen – er oder sie sollte dann aber flink ins Krankenhaus gebracht werden. Hier soll eine Beschreibung des Weges von Sauerstoff durch den Körper helfen, die Begrifflichkeiten zu verstehen.

Rein damit!

Bei einem tiefen Lungenzug mit Frischluft auf Meereshöhe startet die Reise des Sauerstoffs. In den Lungen wird der über unfassbar viele Bläschen verteilt, damit er mit möglichst viel Oberfläche in Berührung kommt. Vereinfacht fließt auf der anderen Seite dieser hauchdünnen Haut das Blut. Und weil die Sauerstoffkonzentration auf der Luftseite höher ist, drücken sich die Moleküle hindurch und werden von den roten Blutkörperchen gebunden. Je höher das Konzentrationsgefälle, desto „vehementer“ strömt das O2 hindurch. Weil es später noch wichtig sein wird: Faktoren für das Gefälle sind vor allem der Sauerstoffanteil in der Luft und der Luftdruck: Je tiefer die Werte, desto geringer das Gefälle. Die Blutkörperchen transportieren jeweils drei Sauerstoffteilchen, ohne sie würde sich nur ganz wenig O2 im Blut lösen. Funfact: Von den 25 Billionen dieser „Erythrozyten“ mit einer Gesamtoberfläche eines halben Fußballfelds erneuert der Körper jede Sekunde rund zwei Millionen, wenn er denn gesund ist.

Bei den Verbrauchern angekommen, das sind Muskeln, Drüsen, Nerven usw., ist dann die Konzentration im Blut wieder höher als auf der anderen Seite der Blutgefäße. Der Sauerstoff quetscht sich in die Zellen und wird verstoffwechselt. Man darf sich das aber nicht vorstellen wie einen Kipplaster, der seine Fracht komplett entlädt. Wird an der Stelle gerade wenig Sauerstoff verbraucht, ist das Gefälle gering, es werden nur ein paar Prozent entladen.

Und selbst nach einem 400-Meter-Sprint: Auf null geht die „Beladung“ der Blutkörperchen nie zurück. Selbst 80 Prozent sind im arteriellen Blut bei Gesunden kaum möglich. In Ruhe müsste man auch schon mit Sauerstoffsättigung unter 90 Prozent zum Lungenfacharzt, 80 Prozent hießen sofortige notärztliche Versorgung, denn auch wenn das noch ganz gut klingt, so wenig „Beladung“ heißt sehr wenig Gefälle in Sachen Sättigung, heißt kaum Fluss in die Zellen, heißt ein echtes Problem bis hin zum Absterben von Gewebe!

Im oberen Zehntel

Bei der maximalen Sauerstoffaufnahme ist nun eben nicht dieser prozentuale Beladungswert gemeint, sondern wie viel O2-Teilchen das Blut bei maximaler Leistung von Herz und Lunge pro Minute auf gleichem Wege in die Muskeln transportieren kann. Natürlich ist dieser Wert bei niedriger Sättigung deutlich geringer, aber nur weil die Aufnahme potenziell hoch ist, muss nicht auch die Sättigung gut sein.

Bei einem trainierten Sportler sind die Beladungszustände in den Arterien kaum anders als bei gesunden, aber nicht fitten Menschen. In Ruhe misst man im Allgemeinen 95 bis 99 Prozent. Die ganzen 100 erreicht man durch übertriebenes Hecheln oder Gabe von reinem O2 über eine Atemgasmaske. Selbst harte Belastungen senken den Ruhewert um nicht mehr als 12 oder 13 Prozentpunkte ab, die sich in wenigen Minuten wieder normalisieren. Warum also wird die Sauerstoffsättigung überhaupt angezeigt, wenn sich der Wert unabhängig vom Trainingszustand doch immer im oberen Zehntel bewegt? Nun, um genau das sicherzustellen! Im Training belastet man Organismus und Stoffwechsel teils sehr, und nicht jeder Amateur und Hobbyläufer ist kerngesund und ärztlich überwacht.

Die O2-Sättigung ist eher ein Kontrollwert, ob denn Herz und Lunge okay sind. Solange der Wert ganz profan im Normalbereich liegt, kann er ignoriert werden. Sinkt er zu tief (siehe Grafik) oder bleibt er nach dem Training ungewohnt lange unten, sollte man nicht zögern, das dem Hausarzt mitzuteilen. Ganz besonders wichtig ist die konsequente Kontrolle übrigens bei Bewegung oder gar Sport in großer Höhe. Bergsteiger und Skitourengeher kalkulieren beispielsweise deutlich sinkende Werte oberhalb 1.800 Metern und damit verbundene Leistungsabnahmen ein. Die in solchen Fällen ultrawichtige Bestimmung der Sauerstoffsättigung über eine Optik in der Uhr heißt übrigens Pulsoxymetrie.

Gründe für 02 < 95%

Sauerstoffsättigung

Wie gesagt ist eine Sauerstoffsättigung, mal abgesehen von zwischenzeitlichen Messfehlern durch schlecht sitzende Sensoren, unter 95 Prozent schon Grund für erhöhte Aufmerksamkeit. Solche Werte können neben der sportlichen Belastung sowohl äußere Einflüsse als auch medizinische Gründe haben. Solche können sein:

  • Geringer Luftdruck als Folge von großer Höhe, ab ca. 3.000 m über NN deutlich spür- und messbar. Auf 8.000 m verringert die geringe Sättigung des Blutes die maximale Sauerstoffaufnahme um zwei Drittel!
  • Veränderte Luftzusammensetzung mit geringerem Sauerstoffanteil: Außer in künstlichen Atmosphären kann das in engen Räumen mit vielen Menschen oder offenen Feuern vorkommen. Geringer Sauerstoffanteil der Umluft macht müde!
  • Hyperventilation: Schnelles flaches Atmen führt zu Ansammlung von alter sauerstoffarmer Luft in der Lunge. Es ist deutlich weniger Platz für Frischluft, die Austauschrate an den Bläschen sinkt.
  • Extreme Verschmutzung der Lunge, das verdickt die „Häutchen“, und es braucht mehr Sauerstoffüberschuss, damit der sich durch die dickere Schicht durchpresst. Kann krankhaft sein oder durch eine Staub- oder Raucherlunge entstehen.
  • Verkrampfungen, Infektionen und Verletzungen der Lunge, die nicht ansatzweise ihr volles Volumen ausnutzen kann; selbst ein Asthmaanfall reicht schon. Embolien stellen mit die größte Gefahr dar. Auch krankhaftes Schnarchen kann die Sättigung senken.
  • Krankhafte Veränderungen der Blutkörperchen oder „fehlerhafte Beladung“ mit Kohlenmonoxid oder anderen Gasen. Achtung: CO-Vergiftungen werden wohl nicht vom Sensor erkannt!
  • Verengungen der Arterien und Störungen des Herzens. Das Blut fließt so langsam, dass es unterwegs zu stark „entladen“ wird.

Kontrolle angewöhnen!

Außer bei Menschen mit echter medizinischer Vorgeschichte im Bereich Herz, Lunge, Blutgefäßen oder Blut selbst muss die O2-Sättigung nicht in einer der Standardanzeigen auf der Pulsuhr dargestellt werden. Eine Kontrolle morgens nach dem Aufwachen und kurz nach dem Sport sollte man sich aber angewöhnen, einfach, um sicherzugehen. Gerade in Zeiten von Covid-19 kann es in einigen wenigen Fällen dazu kommen, dass die kleinen Blutklumpen, ausgelöst durch diese Infektion, für einen Abfall der Sauerstoffsättigung sorgen, indem sie zum Beispiel den Blutfluss entlang der Lungenbläschen hemmen. Das frühzeitig zu erkennen sollte nicht nur Sportlerinnen und Sportlern am Herzen liegen. (Text: Timo Dillenberger)

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