Schrittlänge
Fotos: AdobeStock, Shutterstock

Gibt es die perfekte Schrittlänge?

Die Schrittlänge beim Laufen ist eigentlich ein sehr simpler Wert und kaum einer Erklärung wert. Ganz anders aber die Bedeutung der Schrittlänge als Teil der individuellen Lauftechnik – hier lohnt sich ein zweiter und dritter Blick auf die Trainingsuhr.

Wäre das Internet noch auf dem technischen Stand der 90er Jahre, es wäre wahrscheinlich voll von Beiträgen, Diskussionen in Foren, Kommentaren unter Tutorials und physikalischen Herleitungen zur idealen Schrittlänge beim Laufen. Und jede Meinung ist vertreten, von möglichst kurz bis möglichst langgezogen, von absolut entscheidend für die Gesamtperformance bis völlig irrelevant! In den meisten Fällen, und das wiederum ist sehr löblich, wird der Wert nicht isoliert betrachtet, sondern stets in Kontext mit der Schrittfrequenz. Denn letztlich sind es ja diese und nur die beiden Faktoren, die als ihr Produkt die Laufgeschwindigkeit bestimmen. Wer sich etwas tiefer in die Physik des Laufens hineinarbeiten will, sollte zu diesem Wertepaar noch die Bodenkontaktzeit und die vertikale, also die Auf- und Ab-Bewegung („vertikale Bewegung“) einbeziehen. Mit diesen vier Säulen kann man schon ziemlich genau die jeweilige Lauftechnik charakterisieren und an ihr arbeiten.

Schrittlänge – kein Zwang zur Änderung

Direkt mal eine gute Nachricht vorweg: Wahrscheinlich läufst du bereits mit deiner für dich perfekten Schrittlänge. Das scheint zumindest in der Fachliteratur und im Gespräch mit Biomechanikern und Trainern der Konsens zu sein. Ein Läufer sollte nicht zwanghaft auf Länge und Frequenz Einfluss nehmen – das habe grundsätzlich eine ineffizientere Lauftechnik, höhere Pulswerte bei gleicher Pace und auch ein stärkeres Belastungsempfinden zur Folge. Die grundsätzlich zu kontrollierenden Werte seien also Puls und Geschwindigkeit, mit welchem Mix aus Länge und Frequenz der Körper dann auf diese Pace kommt, mache dieser automatisch richtig.

Ein Fehler wäre hier zum Beispiel das Kopieren des Laufstils von Weltklasse-Athleten. Die laufen nicht so schnell, nur weil sie sich zu besonders langen Schritten mit Frequenzen bis über 180 pro Minute „zwingen“, sie sind einfach physisch in der Lage, hohe Geschwindigkeiten zu leisten. Hierbei sind lange, schnelle Schritte unumgänglich. Einige Quellen behaupten, die Schrittlänge solle überhaupt kein Gegenstand des Trainings sein, doch dem stimmen wir von aktivLaufen aber nicht vollends zu.

Schrittlänge auf der Laufuhr

Drei durchaus mitentscheidende Gründe gibt es, sich beim Training regelmäßig auch oben angesprochene Werte mal aufs Display der Uhr zu holen – während des Trainings und auch danach. Einmal macht es das Lauftraining kurzweilig und effektiv. Auch wenn man mit bewusst übertrieben langen Schritten nicht effizienter läuft. Doch die dabei auftretende kraftintensive Belastung kann durchaus ein guter Trainingsreiz sein, ähnlich dem Lauf-ABC. Warum nicht mal zwei, drei, vier Intervalle einbauen, in denen man bewusst mit den vier Säulen spielt?

Der zweite Grund ist die Erfolgskontrolle. Verändert sich beim „normalen“ also unbewussten Laufen über Wochen und Monate die intuitive Schrittlänge bei gleicher Belastung, kann das ein Anzeichen eines Trainingserfolgs sein. Das spräche dann indirekt für einen Kraftzuwachs oder eine bessere neuromuskuläre Ansteuerung. In diesem Fall werden Signale aus dem Gehirn über Nerven auf die Muskeln schneller übertragen. Und je schneller dies funktioniert, umso ökonomischer arbeitet der Muskelapparat.

Hilfe Nummer drei, die man aus Schrittlänge und Co ziehen kann, hilft dem einen oder anderen bei Wettkämpfen, durch die größer werdende Ermüdung nicht „kürzer“ zu werden, sondern genau die Schrittlänge und -frequenz und damit auch die Lauftechnik zu halten, die der Körper ausgeruht als optimal für sich definiert hat.

Schrittlänge
Tendenziell haben Rückfußläufer eine größere Schrittlänge, allerdings „rammen“ sie die Ferse in den Boden und bremsen sich somit selber aus.
Schrittlänge
Vorfußläufer machen zwar kleinere, aber dynamischere Schritte.

Stilistisch sicher

Witzig in dem Zusammenhang das Rechenbeispiel einer Schweizer Laufwebseite, die mathematisch darlegt, dass man mit je einem Zentimeter längeren Schritten seine Halbmarathonzeit um knapp eine Minute verbessern könne. Das ist und bleibt bei einer Ausbelastung im Wettkampf aber reine Mathematik: Selbst diese um den Zentimeter längere Flugphase zwischen den Schritten bedarf einer, wenn auch nur minimal, höheren Abstoßkraft, also auch mehr Energie, und das, wenn man eh schon am Limit ist? Da könnte man auch nach jedem Lauf sagen: Wäre ich doch pro Kilometer zwei Sekunden flotter gelaufen.

Ohne jetzt zu sehr in Richtung Physik und Laufstilanalyse abzudriften: Die Schrittlänge entsteht durch die Vor-Rück-Amplitude der Füße plus die Phase, in der beide in der Luft sind. Verlängert werden kann sie nur durch kräftigeres Abstoßen in Laufrichtung oder auch durch mehr Flexibilität in den Gelenken, vor allem in der Hüfte. Kontraproduktiv ist es jedoch, diese „Airtime“ durch Abdruck mehr nach oben zu verlängern. Das kostet im Verhältnis zum Zugewinn zu viel Energie. In der Einleitung war bereits die Rede von „vertikaler Bewegung“ – genau das ist damit gemeint. Wer mit betont langen Schritten läuft, sollte die wirklich einzige, wichtige und wirklich durchweg anerkannte Regel beachten: Wichtig! Die Schrittlänge wird hinten „gemacht“, nicht vorne! Heißt, dass man den Abstand zwischen den Fußabdrücken durch stärkeren und längeren Abdruck, aber auf keinen Fall durch besonders weit nach vorn ausgreifende Schritte erreichen sollte.

Raumgreifende Schritte bringen Gefahr

Früher sprach man von raumgreifenden Schritten. Aber mit dem Kontaktpunkt deutlich vor den Körperschwerpunkt zu gehen, birgt nicht nur die Gefahr, Kraft entgegen der Laufrichtung einzuleiten. Die Landung auf der Ferse bei durchgedrücktem Knie bedeutet zusätzlich immer auch härtere Schläge in den gesamten Körper bei der Landung.

Auf der Trainingsuhr sollte die Schrittlänge also keinen Dauerplatz im Display bekommen, um nicht mit Gewalt hohen Werten „hinterherzurennen“. Der Laufparameter sollte aber auch nicht komplett ignoriert werden. Als Indikator für Veränderungen in der Fitness und im Laufstil ist sie eine gute Kontrollgröße, es gibt aber keinen als generell ideal anzusehenden Wert. Auch Formeln, die auf Grundlage von Beinlänge oder Körpergröße ein Optimum berechnen, haben sich offenbar nicht bewährt. Und sind wir doch mal ehrlich: Es ist doch auch mal schön, wenn der Körper quasi automatisch das Richtige tut! (Text: Timo Dillenberg)

Weitere Beiträge zum Thema Training findet ihr hier.

  • Verbessere deinen Lauf!

    • Verpass keine Ausgabe mehr.
    • Sichere dir zwei Prämien.
    • Abonniere aktiv Laufen!
  • Abo

    inklusive

    2 Prämien