Watt
Foto: IMAGO / Zoonar II

Watt als Wegweiser: Effektiver trainieren

Wer seine Leistung erhöhen will, sollte sie auch kennen. Und die physikalische Einheit für Leistung ist nun mal Watt! Stellt sich die Frage, warum sich dieses Eichmaß der Power im Laufen nicht so durchgesetzt hat wie in anderen Sportarten? Wir klären auf, watt da los ist!

Es ist überaus interessant, die Fachsimpeleien und Stammtischrunden verschiedenster Sportarten zu belauschen und untereinander zu vergleichen. Im Prinzip sind die gar nicht so unterschiedlich, nur das Vokabular ist ein anderes – und der „Kernwert“ der jeweiligen Sportart. Jede Disziplin hat sowas wie ihre zentrale Skala, an der man sich vom motivierten Einsteiger bis zum Weltklassesportler einordnen und natürlich auch Trainingserfolge messen kann. Die Gewichtheber haben ihre „Lasten“, die Kletterer ihre „Schwierigkeitsgrade“, die Radfahrer und Ruderer ihre „Watt“ und die Läufer ihre „Pace“. Stop, warum nutzen eigentlich die Biker diesen Wert nicht? Bei ihnen geht es doch schließlich auch um die höhere Geschwindigkeit? Kleiner Exkurs: Im Radsport spielen Strecke, Geschwindigkeit und Puls mittlerweile nur noch die zweite, dritte Geige, die Tretleistung regelt das Training und viele Sportler verlassen sich sogar im Rennen auf die Elektronik zur Leistungsmessung, um sich möglichst nah an ihre individuelle Grenze heranzuwagen.

Messen oder Berechnen?

Der Grund für diesen Unterschied liegt nicht in der Bedeutung oder der Aussagekraft der Leistung in Watt, sondern allein in der Messmethode. Das zweirädrige Sportgerät zwischen Bein und Boden erlaubt beim Biken Messinstrumente, die im Laufen einfach nicht realisierbar sind. An entsprechend ausgestatteten Fahrrädern sitzen Sensoren entweder in den Pedalen oder der Tretkurbel, die den Power-Output des Sportlers unmittelbar messen, und zwar kontinuierlich, weil das Drehen der Kurbel eben eine kontinuierliche Bewegung ist, was „dahinter“ passiert, zum Beispiel Kraftverlust durch eine schmutzige Kette, spielt keine Rolle. Und weil quasi nichts zwischen Fuß und den Sensoren die Messung verfälschen kann, sind die Daten sehr verlässlich und genau.

Beim Laufen kann man die Leistung nur mittelbar messen oder besser aus Messwerten wie Speed, Steigung und Läufergewicht berechnen. Diese Rechnung ermittelt aber eher die Leistung, mit der der Körper bewegt wird, nicht den Output an Muskelkraft. Allein der Laufstil, die Schuhe und der Untergrund haben da ein riesiges Potenzial zur Verfälschung. Beispiel: Gleiche Laufgeschwindigkeit vom gleichen Menschen in der Ebene, einmal auf Tartan und einmal am Strand – die nötige Leistung ist nicht vergleichbar, würden aber in einem ähnlichen Bereich angezeigt. Auch Läufer untereinander sind schwer anhand der Watt zu ranken, hier spielt die Effizienz des Laufstils eine entscheidende Rolle.

Was allerdings sehr gut geht, ist das Vergleichen von Leistungen der gleichen Person auf unterschiedlichen Landschafts-Profilen und auch bei unterschiedlichen Sportarten. Und genau dazu sollte man diesen Wert auf seiner GPS-Uhr auch benutzen.

Der lösgelöste Wert

200 Watt sind 200 Watt, egal ob es bergan geht oder flach ist, man ist dann eben langsamer. Und sie „belasten“ den Körper auch immer wie 200 Watt, egal, ob man sich tagesformabhängig gut fühlt oder mies. So würde es ein Trainer erklären. Für den Hobbyläufer bedeutet das: Wenn ich eine Stunde bei 200 Watt in der Ebene laufen kann, geht das auch auf bergigem Kurs, ich muss nur mein Tempo so anpassen, bis meine Uhr den Wert anzeigt, die Geschwindigkeit würde hier als Zielwert nicht helfen. Und der Puls? Der wäre als Vergleichsgröße auch gut, nur ist sein Wert viel träger. Beim Übergang von der Ebene in eine Steigung mit gleichem Tempo dauert es bis zu 90 Sekunden, ehe sich die Herzfrequenz an die höhere Belastung komplett angepasst hat. Bis dahin kann das Laktat durchs Überpacen schon viel zu hoch sein. Beobachtet man dagegen die „Running Power“, wie die Hersteller der Uhren gern die Leistung nennen, steigt diese bei gleicher Geschwindigkeit sprunghaft. Und das schon ab dem ersten gelaufenen Höhenmeter.

Watt nutzen!

Wer also eine Pulsuhr besitzt, die über ein programmierbares Display verfügt, sollte in einer Ansicht „Running Power“ und Puls kombinieren. Die Watt helfen vor allem bei der Entwicklung des Tempo- oder besser Belastungsgefühls. Der Wert springt zu Beginn des Trainings noch ein bisschen, pendelt sich aber nach und nach bei einem Wert ein, den man auf der Ebene gut halten kann. Das ist die Power, mit der man auch in Steigungen laufen sollte. Achtung: Der Wert reagiert sehr sensibel, um sich dem Zielwert zu nähern, Tempo langsam senken bzw. erhöhen. Zweiter Vorteil: Ob man mal einen schwachen oder Sahnetag hat, ist diesem Wert egal. Die Gefahr, wegen euphorischen Gefühlen zu übertreiben oder umgekehrt wegen einer schlechten Nacht das Training verpuffen zulassen, ist damit quasi gleich Null. Auch Polar empfiehlt übrigens die „Running Power“ immer in Bezug zur Herzfrequenz und nicht stattdessen zu benutzen. Veränderungen im Verhältnis von Watt und Herzfrequenz können frühe Hinweise auf eine Körperliche Schwächung oder Krankheit sein, dann liegt die Schlagrate sichtbar höher bei gleicher Leistung. Nimmt die Herzfrequenz kontinuierlich ab, obwohl man mit gleicher Leistung läuft, ist das ein gutes Indiz für einen echten Trainingsfortschritt. Deshalb gehören durchschnittliche Leistung und Herzfrequenz auch in jedes Trainingstagebuch.

Wer streng nach Watt trainieren will, kommt um eine Leistungsdiagnostik kaum drum herum. Deren Auswertung erfolgt in der modernen Trainingssteuerung immer öfter sowohl in Pace als auch in Watt. (Text: Timo Dillenberger)

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