Höhere Leistungsfähigkeit durch Zahngesundheit
Der regelmäßige Medizincheck auf „Herz und Lungen“ gehört für Läufer, ob Profi oder Freizeitsportler, zur Routine. Aber wie steht es um die Zahngesundheit, und was hat diese mit der Leistungsfähigkeit zu tun?
Kariöse Zähne und krankes Zahnfleisch bedeuten nicht nur für Herz und Gefäße besondere Risiken. Auch scheinbar völlig gesunde Sportler „laufen“ Gefahr, durch zahngesundheitliche Defizite eine Reihe von Folgeerkrankungen unterschiedlichen Schweregrades zu entwickeln. Dazu zählen neben Spannungskopfschmerzen, Migräne, Rücken- und Gelenkbeschwerden sowie Rheuma auch die lebensbedrohlichen Zustände von Lungenentzündung, Nierenversagen und Blutvergiftung (Sepsis). Starke Hinweise gibt es zudem auf eine Wechselwirkung zwischen Zahnfleischentzündungen und dem für die Energieversorgung beim Laufen so relevanten Blutzuckerspiegel.
Zahngesundheit bei Olympia – Fehlanzeige
Einen Anstoß, dem Zusammenhang von Sport und Zahngesundheit mehr Aufmerksamkeit zu schenken, lieferten Zahngesundheitsbefunde von Teilnehmern der Olympischen Spiele in London 2012. Von 278 zahnmedizinisch untersuchten Athletinnen und Athleten wiesen 55 Prozent Karies, 45 Prozent Schmelzdefekte und 76 Prozent Zahnfleischentzündungen auf. Fast die Hälfte der Betroffenen gestand ein, selbst bei Beschwerden im ganzen Jahr nicht beim Zahnarzt gewesen zu sein.
Medizin und Wissenschaft interessierte die Frage, ob es womöglich sportspezifische Ursachen für die schlechte Zahngesundheit von Aktiven gibt. Bei Ausdauersportlern wie Läufern stellen typische Ernährungsgewohnheiten und -modalitäten Risikofaktoren dar. Zuckerreiche Wettkampf oder Trainingsverpflegung wie süße Getränke, Gele und Riegel in Kombination mit einer unter Belastung reduzierten Speichelproduktion („trockener Mund“ = reduzierte Desinfektionswirkung) erleichtern jenen Bakterien die Arbeit, die Zucker zu zahnschmelz- und zahnfleischschädigenden Säuren vergären. Schon kleine Nachlässigkeiten bei der Dentalhygiene wiegen somit besonders schwer.
Wie beeinflusst Ausdauersport die Zahngesundheit?
Der Frage, ob es speziell zwischen Ausdauersport und schlechter Zahngesundheit Kausalzusammenhänge gibt, sind Heidelberger Wissenschaftler nachgegangen. Sie analysierten Zähne, Zahnfleisch, Speichelproduktion, Ess- und Trinkgewohnheiten sowie die Art der Mundhygiene von 35 Triathleten und 35 Nicht-Sportlern. Obwohl über das Studiendesign die von zuckerhaltigen Sportgetränken, Riegel und Gels ausgehenden Negativwirkungen ausgeschlossen wurden, wiesen die Sportler signifikant mehr Karies und Zahnfleischschäden auf als die „Bewegungsmuffel“. Es zeigte sich sogar eine umgekehrte Korrelation zwischen Trainingspensum und Zahngesundheit: Je regelmäßiger, intensiver und länger die Aktiven trainierten, desto schlechter waren ihre Zähne. Die Forscher konnten selbst bei ausreichender „zahnfreundlicher“ Flüssigkeitszufuhr ab einer Trainingsdauer von 35 Minuten zwei Hauptrisikofaktoren ausmachen:
- Austrocknen der Mundhöhle durch verminderten Speichelfluss
- pH-Wert-Anstieg durch Veränderung der chemischen Speichelzusammensetzung.
Die Folgen:
- Weniger Speichel bedeutet weniger keimtötende Enzyme wie Lysozym
- Verschiebung des pH-Optimums der keimtötenden Aktivität
- Trockene Mundschleimhaut erleichtert
- Erregern die Einnistung
Demnach scheint Ausdauersport über den Ernährungsfaktor hinaus mit erhöhten Risiken für die Gesundheit von Zähnen und Zahnfleisch verbunden zu sein.
Prävention ist die beste Medizin
Somit kann allen ausdauersportlich Aktiven die besonders sorgfältige Zahn-, Zahnfleisch- und Zahnzwischenraumpflege sowie die regelmäßige Zahnarztkontrolle nur nachdrücklich ans Herz gelegt werden. Es wäre doch zu schade, seine durch Trainingsfleiß erworbene Fitness durch mangelnden Trainingseifer an Zahnbürste und -seide aufs Spiel zu setzen. Und überdies wirkt ein Siegerlächeln mit gepflegten Zähnen doch wesentlich schöner! (Text: Dr. Stefan Graf)