Ernährung
Fotos: Shutterstock, AdobeStock

Die optimale Ernährung – Trends im Check (II)

Auf der Suche nach der optimalen Ernährung checken wir im zweiten Teil Ballaststoffe, Gluten sowie Fette. Dazu gibt es einen Einblick in vegane Ernährung.

Hier findet ihr Teil eins.

Allzu strikte Low-Carb-Konzepte verbannen mit den Vollkornprodukten zugleich wertvolle unverdauliche Kohlenhydrate – Ballaststoffe genannt – vom Teller. Auch für nach Leichtigkeit strebende Läufer sind sie kein unnötiger Ballast. Sie unterstützen die Darmfunktion der Stuhleindickung mit Rückgewinnung von Flüssigkeit und Mikronährstoffen sowie die Stabilisierung des Blutzuckerspiegels. Zudem werden sie von Dickdarmbakterien zu kurzkettigen Fettsäuren wie Propionsäure abgebaut, die durch Interaktion mit dem Immunsystem entzündungshemmend auf Gelenke, Herz und Blutgefäße wirken. Nun weiß jeder, dass „windige“ Darmperistaltik die Bewegungsfreude nicht eben steigert. Daher ist der Ballaststoffverzehr im direkten sportlichen Umfeld keine gute Idee, mit vernünftigem Timing und individueller Bekömmlichkeit aber eine unbedingte Empfehlung für die Basisernährung. Leider ist es gerade en vogue, ballaststoffreiches Gemüse und Obst bevorzugt als ballaststoffverarmte Smoothies zu verzehren, was durch Aufkonzentrierung des Zuckers und den Wegfall der Kauarbeit auch der Zahngesundheit abträglich ist.

Gluten- und weizenfrei – nur für wenige ein Muss

Warum nur ist das zu über 90 % aus Eiweißen bestehende Gluten (lat. „Leim“) so in die Schusslinie geraten? Ebenso unverständlich ist die „In-Sippenhaftnahme“ des Weizens. Zu den über Gluten kursierenden Halbwahrheiten gehört die Bezeichnung „Weizenkleber“. Denn das beim Kontakt mit Wasser – etwa beim Kauen – eine teigige Konsistenz annehmende Gluten ist genauso in Roggen, Gerste, Hafer, Grünkern und besonders viel in Dinkel enthalten. Dort ist es nicht besser oder schlechter als im Weizen. Einzig von der Autoimmunkrankheit „Zöliakie“ Betroffene müssen Gluten meiden. Darüber hinaus gibt es Personen, die möglicherweise an „Glutensensitivität“ leiden.

„Der Verzehr von zu wenig Vollkornprodukten ist mit einer Gewichtung von 20 % der schwerwiegendste Einzelfaktor für die Begünstigung ernährungsbedingter Krankheiten.“

Weltgesundheitsorganisation (WHO)

Doch ist fraglich, ob wirklich Gluten der Verursacher ist. Aktuell stehen eher „FODMAPs“ (fermentierbare Zucker und Alkohole) im Verdacht. Tatsächlich sind von Zöliakie und Glutensensitivität zusammen nur niedrige einstellige Prozentzahlen unserer Bevölkerung betroffen. Für die große Mehrheit ist Gluten überhaupt kein „böser“ Nahrungsbestandteil und Vollkorn-Weizen nicht schlechter als andere Getreidesorten. Mittlerweile zeigen reproduzierbare Langzeitstudien, dass unbegründeter Glutenverzicht durch den Getreide-Ausschluss die Entwicklung leistungsmindernder Nährstoffdefizite (komplexe KH, Ballast- und Mineralstoffe, B-Vitamine) befördert.

Wenn Muskeln schwinden, aber Fett bleibt

Ob nach 5:2- (fünf Tage normal, zwei Tage fasten) oder 16:8-Prinzip mit täglich 16-stündiger Nahrungskarenz – das Intervallfasten (IF) wurde als Strategie gegen Adipositas entwickelt. Die langen Nüchternphasen sollen die Fettdeponierung begünstigende Insulinausschüttungen dezimieren. Klinische Studien zeigen nun, dass IF beim Abnehmen helfen kann, aber nicht besser als herkömmliche Reduktionsdiäten. Die Abnehmerfolge bedürfen auch beim IF einer negativen Energiebilanz. Die zeitliche Mahlzeitenstruktur ist unerheblich. Noch bedenklicher ist der Blick auf die Veränderung der Körperzusammensetzung. Und auf die sollte jeder Läufer, der sich im IF versucht, ein Auge haben. Denn was bereits Nagetierstudien aus Sao Paolo und Sydney gezeigt hatten, bestätigt eine an der Universität Bath (UK) durchgeführte Humanstudie: Im Gegensatz zu herkömmlichen Reduktionsdiäten, die dem ungesunden Eingeweidefett zu Leibe rücken, beruht die Gewichtsreduktion beim IF vor allem auf dem Abbau von Muskeleiweiß. Offensichtlich schaltet der Organismus während der Fastenphase rasch auf den „steinzeitlichen“ Sparmodus um, der den Fettaufbau als Energiereserve forciert.

Abgesehen vom drohenden Muskelabbau gibt es im leistungsorientierten Sport oft Praktikabilitätsprobleme, da die langen Fastenphasen die für intensive Trainingseinheiten nutzbaren Zeiträume erheblich dezimieren und zudem die für effektives Regenerieren erforderliche Nährstoffzufuhr oft nicht mit der IF-Mahlzeitenstruktur harmoniert.

Vegane Ernährung – Expertise gefragt

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Dieser primär aus Tier- und Klimaschutzmotiven erwachsene Ansatz erhitzt schnell die Gemüter. Ruhig Blut! Schauen wir ganz entspannt auf die reinen ernährungsphysiologischen Erkenntnisse und beginnen mit der beschwichtigenden Botschaft: Mit gutem Ernährungswissen und Beachtung wichtiger Kombinations- und Supplementierungsvorgaben kann auch eine rein pflanzliche Kost den Anforderung laufsportlicher Aktivität gerecht werden. Nichtsdestoweniger ist der Schritt zum Totalverzicht auf Nahrung tierischen Ursprungs ein gravierender, der mit einigen Mangelrisiken einhergeht. An der Supplementierung von Vitamin B12 führt kein Weg vorbei. Andernfalls drohen nach wenigen Jahren – wenn die B12-Depots aufgebraucht sind – irreversible Schäden im Nerven-, Blutbildungs- und Knochenstoffwechselsystem.

Wegen der schlechten Bioverfügbarkeit von Eisen und Zink aus pflanzlichen Quellen und des durch intensiven Ausdauersport erhöhten Bedarfs bilden gerade diese beiden Spurenelemente kritische Mikronährstoffe mit erheblichem Potenzial zur Leistungsminderung. Der Verzicht auf jegliche Milchprodukte eliminiert wertvolle Calcium-Lieferanten für den Knochenaufbau. Um die Versorgung mit allen essenziellen Aminosäuren für die Synthese lebenswichtiger Eiweiße sicherzustellen, müssen verschiedene pflanzliche Eiweißquellen kombiniert werden.

Grundsätzlich lässt sich all diesen Unterversorgungsrisiken erfolgreich begegnen. Dennoch kann aus rein physiologischer Sicht keine allgemeingültige Vegan-Empfehlung ausgesprochen werden. Das betrifft Personen mit bereits kritischem Eisen-, Vitamin D-, Calcium oder Muskelbildungsstatus. Insbesondere Eisenmangel erweist sich bei läuferisch aktiven Frauen wegen der Regel-bedingten Eisenverluste und mechanischer Zerstörung roter Blutkörperchen in der Fußsohle oft als Problem. Oral zugeführte Eisenpräparate bereiten sehr oft Magen-Darm-Probleme, wirksame Eisen-Infusionen sind nicht besonders beliebt.

Unterschied zwischen veganer und vegetarischer Ernährung

Vegan und vegetarisch ist ein immenser Unterschied. Der Totalverzicht auf alles tierischen Ursprungs erhöht die Unterversorgungsrisiken für einige essenzielle Nährstoffe. Ovo-Lakto-(Pesco)-vegetarisch und ausgewogen omnivor (Pflanzlich dominiert, wenig Fleisch) liegen wesentlich dichter beieinander als vegetarisch und vegan. Mit fachkundiger Lebensmittelkombinatorik und Supplementierung sind vegane Ernährung und abrufbare Leistung vereinbar.

Find your own way

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„Jedem Tierchen sein Pläsierchen“! Sporternährung ist eine hoch individuelle Angelegenheit. Seriöse Empfehlungen können kaum über die Basics der Deckung des Makro- und Mikronährstoffbedarfs durch wenig verarbeitete, vollwertige Lebensmittel und die Dominanz pflanzlicher Lebensmittel hinausgehen. Neben guter Energieverfügbarkeit müssen persönliche Intoleranzen, Allergien, Bekömmlichkeit und nicht zuletzt der Geschmack berücksichtigt werden. Wenns nicht schmeckt oder Probleme beim Nährstoffaufschluss bestehen („Malabsorption“), gehen Leistung und Bewegungsfreude in den Keller. Höchstleistung ist mit unterschiedlichen Ansätzen erzielbar. Ob man einer uns Menschen genetisch oder epigenetisch angestammten phyto-omnivoren oder einer Supplement-unterstützten rein pflanzlichen Ernährungsweise den Vorzug gibt, obliegt der persönlichen Philosophie und Physiologie. Es bleibt dabei: Iss, was dir schmeckt und guttut! (Text: Dr. Stefan Graf)

Kleiner Tipp: Weitere Texte zum Thema Ernährung findest du hier.

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