Fuchsgruber
Foto: caoxijia

Fuchsgruber: In die Wüste, gelassen! Teil 2

Sie sind zusammen 100 Jahre alt und vor kurzem 1.000 Kilometer gemeinsam durch die afrikanische Wüste gelaufen. Das Paar Fuchsgruber scheint die Grenzen des sportlich Vorstellbaren zu sprengen. Wie solche Ultraläufer ticken, warum sie so ticken und wie man Job, Familie und zeitfressendes Training vereint, haben wir im Gespräch mit den beiden herausgefunden.

Hier geht es zu Teil 1.

Vor nicht mal sechs Jahren lernten die Laufverrückten sich kennen, keine drei Jahre vor dem Ausbruch von Corona. Dass diese Pandemie einen selbstständigen Konzertveranstalter quasi komplett aus dem Business nimmt, versteht sich von selbst. Tanja war zu der Zeit schon Stück für Stück in den Sog aus Medienauftritten, Motivationsseminaren und Laufworkshops reingeraten, trat in ihrem Bürojob deshalb kürzer. Das Paar stand vor ungewollt viel Freizeit und einer leichten Sinn- und Motivationskrise. Die Lösung: wieder das Laufen. Der gemeinsame 100. Geburtstag stand an, und was lag da näher, als ein gemeinsamer Lauf durch die namibische Wüste über unfassbare 1.000 Kilometer – das Vierfache des brutalen „Marathon des Sables“?

17 Tage a 60 Kilometer

Kein Rennen, keine anderen Läufer, keine Stoppuhr und keine Medaille im Ziel, nicht einmal eine Ziellinie. Am Ende brauchten die zwei 17 Tage, das sind aufgerundet 60 Kilometer an jedem einzelnen Tag über zweieinhalb Wochen. Begleitet wurden sie nur von einem Arzt, zwei Guides und einem Kamerateam: Die mehrteilige Dokumentation findet man in der SWR-Mediathek oder auf Fuchsgrubers persönlicher Website. Gelaufen wurde von Sonnenaufgang bis -untergang, nicht weil man die Hitze des Tages bevorzugte, sondern weil Tiere in der nächtlichen Wüste regieren, die auf sportliche Höchstleistungen keinerlei Rücksicht nehmen. Bis zu 15 Liter Wasser trinkt jeder pro Tag. Stand das auf dem Boden, hat man damit Tee kochen können – gepinkelt wird trotzdem äußerst selten. Wasser ist bei den meisten Ultrawüstenläufen übrigens das einzige, das Veranstalter am Etappenziel und unterwegs zur Verfügung stellen. Schlafequipment und Verpflegung muss im Rucksack mitgeführt werden, genau wie ein Serum gegen Schlangengift!

In Australien wurde Rafael auf der finalen Königsetappe einmal über etliche Kilometer von einem Dingo verfolgt. Die gelten wohl zu Unrecht als harmlos, vor allem bei Dunkelheit im weiten Outback. Aber auch solche unheimlichen Situationen nimmt man als „Mind-Biest“ eher beiläufig wahr, im wahrsten Sinne. „Angewandte Flexibilität“ nennt er das, oder die sportlichen Leiden betreffend: Anstrengungswahrnehmungsveränderung! Dass man Raubtiere nicht mehr ganz so bedrohlich ansieht, wenn man die weiße Fahrbahnmarkierung vor lauter Erschöpfung kaum noch erkennen kann, könnte in dem Fall auch eine Rolle gespielt haben.

Fuchsgruber im Fokus

Fuchsgruber ist beim Laufen im Tunnel, und zwar ziemlich allein mit sich und seiner Musik. Von „Bach“ über „Eminem“ bis „Deephouse“ – der Ultra-Läufer gibt sich fast alles auf die Ohren, ohne konkret hinzuhören. Manchmal, wenn die Anstrengung ins Unmenschliche geht, sind da auch wohl wieder die Klänge, die er in den Tagen des Entzugs gehört hat. Dabei ist Fuchsgruber aber keineswegs emotional abgehärtet. Geht es um seine eigene Tochter, ist er sogar recht nah am Wasser gebaut. Wer sich die Doku über das Projekt durch Namibia ansieht, wird aber eher Tränchen bei seiner Partnerin sehen als bei ihm. Die Anstrengungswahrnehmungsveränderung klappt bei Tanja offenbar noch nicht so zuverlässig. Vom Fitness-Level sind sie und ihr Rafael wohl nicht mehr arg weit auseinander.

Fuchsgruber
Laufen ist die gemeinsame Passion des Paares, die sich natürlich auch bei einem Running-Event kennenlernten. (Foto: Privat)

Der Paarlauf zum Hundertsten war damit auch wohl einer der letzten Starts, in der das Gespann als Lehrer und Schülerin unterwegs war. Er könne ihr nichts mehr beibringen und lege sein Amt als ihr Coach offiziell nieder, adelt Fuchsgruber Tanjas Reifeprozess. Jetzt laufen sie als Gleichgestellte oder auch mal solo. Eine kleine unterschwellige Rivalität bleibt jedoch, zusammen würden sie schneller laufen als allein. Obwohl beide beteuern, dass sie sich mehr über Erfolge des anderen freuen als über eigene: Ganz besonders die 40-Jährige „hasse alle, die schneller laufen!“. Er hingegen hat den unerbittlichen Kampf um Bestzeiten eingestellt, wenn aber nach Tagen der Anstrengung der mögliche Podestplatz nur um einen Kilometer verloren geht, muss auch die Gelassenheit in Person ein paar deutsche Flüche in die australische Wüste schicken.

Psychologie spielt eine große Rolle

Apropos: Wie man taktisch so ein Rennen über Stunden, Tage und Wochen laufe, wollten wir natürlich auch wissen. Offenbar wird hier mehr psychologisch gekämpft, als man vermuten mag. Zwar dürfe man nie komplett überziehen, aber solange es irgendwie zu verantworten sei, bleibe man am oder zumindest in Schlagdistanz zum Vordermann. Ein gemeinsames Tempo zu finden sei ein Vorteil, anstatt sich ausschließlich auf sein eigenes Gefühl zu verlassen. Mit der Zeit habe Fuchsgruber ein Gespür entwickelt, welchem Kontrahent es zu folgen lohnt und welchem man getrost den ein oder anderen Kilometer Lücke geben könne. Absichtliches Ziehenlassen und wieder Einholen sei sogar eine gefürchtete psychologische Waffe. Solche Spielchen packe er aber nur in den ganz seltenen Fällen aus, wenn er einen Mitstreiter so gar nicht möge. Dabei huscht Deutschlands bester Wüstenläufer ein Hauch von Genugtuung übers Gesicht. (Text: Timo Dillenberger)

Kleiner Tipp: Weitere Texte zum Thema findest du in unserer Rubrik Reportagen.

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