Deutschlands erfolgreichste Trail-Läuferin (I)
Ida-Sophie Hegemann zählt zu den besten Trail-Läuferinnen des Landes. Sie hat bereits alle großen Alpenläufe gewinnen können – den legendären Transalpine Run sogar mehrfach. Wir haben die sympathische „The North Face“ Athletin in ihrer Wahlheimat in Innsbruck getroffen.
Mein Weg führt mich vom flachen Köln in die Alpenstadt nach Innsbruck. Dort, wo wintersport-begeisterte Studenten noch vor der ersten Vorlesung mit dem Snowboard unterm Arm auf die Piste gehen und Jung und Alt an milden Sommerabenden mit einem alkoholischen Kaltgetränk am Inn sitzen und das Leben genießen. Die Großstadt im Westen Österreichs zählt zum Winter- und Bergsport-Mekka: Der nahezu unmittelbare Zugang zur Nordkette und zum Naturpark Karwendel zieht Abenteuerlustige immer wieder nach „Innschbrugg“. Auch ich kann mich der Faszination für die Alpenstadt nicht entziehen. Allein der Blick aus dem Hotelfenster auf die wolkenverhangenen Gipfel der Nordkette weckt meine Ehrfurcht vor den Bergen. Aber genau in diesem Umfeld fühlt sich meine Interviewpartnerin am wohlsten.
Ich treffe Ida-Sophie Hegemann in einem kleinen Café im Herzen der Altstadt. Die junge Trail-Läuferin entdeckt mich zuerst und heißt mich in ihrer Wahlheimat willkommen. Denn ursprünglich kommt Ida aus dem beschaulichen Dorf Duderstadt in Niedersachsen. Hier wächst die gebürtige Deutsche in einem Umfeld auf, in dem lieber Tennis gespielt wird, als Laufen zu gehen: „Meine Eltern haben sich beim Tennis kennengelernt – die waren beide sehr gute Tennisspieler. Aber dann habe ich ihnen einen Strich durch ihre Profi-Karriere gemacht“, erzählt Ida mit einem Lächeln auf den Lippen. „Meine Eltern haben mich ganz früh bekommen, da waren beide echt jung – jünger als ich heute. Deshalb haben sie natürlich ihre Karriere hinten angestellt.“
Mit Tennis groß geworden
Doch bei einem Kind ist es nicht geblieben: Ida ist die älteste von insgesamt sechs Sprösslingen, aber eines haben alle gemein: „Wir alle sind mit Tennis groß geworden. Sobald wir laufen konnten, haben wir auch schon den Schläger in die Hand gedrückt bekommen.“ Im zarten Alter von drei Jahren beginnt Ida mit ihrem Tennis-Training. Nur wenige Jahre später spielt sie im DTB-Kader bundesweit gegen andere Perspektivathleten.
Allerdings widmet sich Ida nicht nur einer Sportart – sie baut auf verschiedene Weisen überschüssige Energie ab: „Ich hab nebenbei noch Fußball gespielt, Ballett und Hip Hop getanzt und das alles auch echt für eine lange Zeit. Ballett habe ich 14 Jahre gemacht und Tennis 16 Jahre lang. Es gab keinen Tag ohne Sport.“ Das Laufen spielt im Leben der jungen Duderstädterin zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Rolle – wie ist es also dazu gekommen, dass Ida-Sophie Hegemann heute eine professionelle Trail-running-Athletin ist?
Auf dem Weg zum Trail-Star
Im Gymnasium weckt der damalige Sportlehrer ihre Begeisterung für den Ausdauersport: „Ich hatte einen Lehrer, der viel Wert auf Leichtathletik gelegt hat. Wir hatten eine drei-Kilometer-lange Stadtwald-Runde, die uns unser Sportlehrer freitags nach dem Unterricht immer auf Zeit hat laufen lassen.“ Schon auf dieser kurzen Runde blitzt Idas Lauftalent auf: Sie ist nicht nur schneller als die Jungs aus ihrer Klasse, sie hat auf Anhieb auch die beste Zeit der 10.-Klässler geschlagen. Und das mit knapp 13 Jahren. Anschließend schickt der Übungsleiter seinen Schützling zu den 800-Meter-Wettkämpfen bei „Jugend trainiert für Olympia“, wo Ida-Sophie ohne spezifisches Training eine 2:25 läuft. „Mein Sportlehrer hat mein Talent sofort gesehen, aber da hat mich das Laufen noch nicht so sehr interessiert, weil ich ebenso viel Tennis-Training hatte und noch andere Dinge gemacht habe – ich hatte einfach kein Platz mehr für ein weiteres Hobby“, erzählt Ida.
Zum Glück lässt der Sportlehrer aber nicht locker. Er kann die Eltern der jungen Duderstädterin davon überzeugen, sie bei den Landesmeisterschaften über fünf Kilometer starten zu lassen. „Wir sind dann freitags nach der Schule zu dem Event gefahren und hatten natürlich keinerlei sportlichen Erwartungen. Ich bin dann aber direkt unter 20 Minuten gelaufen und insgesamt zweite geworden.“ Nach diesem Wettkampf verfällt Ida dem Laufsport. Es ist die längere Distanz, von der das junge Lauf-Ass begeistert ist: „Das war das erste Mal, dass ich gemerkt habe, Laufen ist richtig cool. Ich fands cool, dass es länger war als die anderen Strecken – ich hatte richtig Spaß! Ich kann mich aber auch gut daran erinnern, dass ich nach drei oder vier Kilometern mal 200 Meter gehen musste, weil ich Seitenstiche bekommen habe“, scherzt Ida über ihre mangelnde Kondition.
Gipfelstürmerin
Nach diesem Wettbewerb läuft Hegemann jedes Wochenende einen Stadtlauf. Schnell verbessert sie ihre 5-Kilometer-Bestzeit auf 18 Minuten – noch immer ohne Lauftraining wohlgemerkt. Mit 14 Jahren ist Ida-Sophie bereits in der „W14-Bestenliste“ und in der Top3 der „5-Kilometer-Straße“, wodurch die junge Athletin das Interesse eines Lauftrainers weckt: „Irgendwann ist jemand auf uns zukommen und hat gesagt, dass er Talent bei mir sieht und mich gerne trainieren möchte. Ich habe dann zwei Wochen bei ihm trainiert und danach entschieden, dass ich zukünftig nur noch laufen möchte. Ich hab dann mit Tennis, mit Fußball, mit Ballett, mit allem aufgehört – ein bisschen gegen den Willen meiner Eltern, weil sie gesagt haben, dass ich die Entscheidung bereuen werde“, sagt Ida. Sie sollte die richtige Entscheidung getroffen haben.
„Ich bin schon immer jemand gewesen, der harte Entscheidungen trifft. Sobald ich also eine Entscheidung treffe, ist sie auch endgültig getroffen.“
Ida-Sophie Hegemann
Die meisten Top-Athleten starten ihre Karriere auf der Laufbahn. Schon früh erfolgt hier die Grundausbildung eines Läufers; bereits im Kindesalter schärft man die Grundschnelligkeit. Ebendiese muss Ida-Sophie mit 14 Jahren mühsam aufbauen: „Ich musste erstmal 800 Meter laufen, obwohl mir eigentlich nur fünf Kilometer auf der Straße Spaß gemacht haben. Mit 15 bin ich dann nach Hannover in den Olympia-Stützpunkt gezogen. Das war mein ausdrücklicher Wunsch – ich habe meine Eltern richtig überzeugen müssen. Sie haben mich in Hannover dann zum Glück probewohnen lassen. Tatsächlich war der Olympia-Stützpunk für meine persönliche Entwicklung super wichtig, für meine sportliche Karriere allerdings nicht ganz so ideal“, sagt die Trail-Läuferin.
Trail-Läuferin beginnt zu zweifeln
Denn Ida kommt als jüngste Athletin in eine große Trainingsgruppe, wo sie nicht mehr die volle Aufmerksamkeit des Trainers bekommt. Statt also individuell zu trainieren, muss sich die junge Duderstädterin nach den Trainingsplänen der Allgemeinheit richten. Gleichzeitig hat Ida-Sophie enormes Verletzungspech. Sie erkrankt ein ganzes Jahr an Pfeiffersches Drüsenfieber und erleidet zudem eine Stressfraktur im Mittelfuß. Das harte Training kann Hegemann letztendlich nie in Erfolge münzen, weil sie an keinerlei Wettkämpfe teilnimmt.
Im Abiturjahr sind die Zweifel bereits so ausgeprägt, dass Ida ihre Laufschuhe an den Nagel hängen will: „Obwohl ich während des Abiturs noch zweimal pro Woche alternativ im Wasser trainiert habe, wollte ich das Laufen aufgeben. Aber nicht, ohne vorher nochmal ein Rennen gelaufen zu sein. Nach den Abi-Klausuren war dann auch die Stressfraktur im linken Mittelfuß endlich ausgeheilt. Aber ich wollte nicht wieder zurück auf die Bahn und direkt wieder eine Verletzung riskieren, deshalb habe ich mich für einen Berglauf angemeldet.“ Den Wettkampf über 21 Kilometer und mit rund 500 Höhenmeter gewinnt Ida auf Anhieb. Nicht nur als erste Frau, sondern als Erste in der Gesamtwertung. Wie es der Zufall so will, gewinnt Ida mit ihrem Sieg an Aufmerksamkeit – es folgt eine Einladung als „Guest Runner“ zum legendären TAR, dem Transalpine Run.