OCR
Foto: XLETIX

OCR – Schlamm, Schmutz und Schmuddel (II)

Laufen, Robben, Hangeln, Klettern und Balancieren. Was auf den ersten Blick kaum etwas mit unserem geliebten Ausdauersport zu tun hat, sind beim Obstacle Course Racing (OCR) essenzielle Fähigkeiten. Doch beim OCR geht es um viel mehr, als eine mit anspruchsvollen Hindernissen gespickte Laufstrecke schnellstmöglich zu bewältigen.

Hier geht es zu Teil eins.

Während die klassischen Straßenrennen von den schnellsten Läufern gewonnen werden, müssen Elite-Athleten für Hindernisläufe aber wesentlich vielseitiger sein. Schaut man sich die Vorjahressieger der „XLETIX Elite Tour“ an, erkennt man, dass sowohl Pia Wagner als auch Matthias Graute eine überragende Grundschnelligkeit besitzen. Dazu sind beide Athleten allerdings aber auch noch kräftig, an den Hindernissen technisch versiert und überaus willensstark. Ohne eine gute Technik und genügend Kraft wäre die „XLETIX Challenge“ nämlich schneller vorbei als gedacht. Denn schwache Muskeln werden böse bestraft.

„Burpees“ als Strafe beim OCR

So gibt es Pflichthindernisse, an denen kein Weg vorbeiführt. Und es gibt Hürden, die man nicht unbedingt bezwingen muss. Selbstverständlich versucht sich ein echter „XLETIX Challenger“ aber an jedem Hindernis. Falls das „Obstacle“ vor Erschöpfung, aus Angst, aufgrund von Hitze oder Kälte aber nicht bewältigt werden kann, drohen dem Läufer 15 „Straf-Burpees“. Die „Burpees“ gehören wohl zu den anspruchsvollsten Übungen, die du mit dem eigenen Körpergewicht machen kannst. Ein klassischer „Burpee“ kombiniert ein „Push Up“, eine Kniebeuge und einen Strecksprung zu einer fließenden Bewegung. Kurz zusammengefasst: Du gehst dabei tief in eine Kniebeuge und platzierst deine Handflächen auf dem Boden. Dann springst du nach hinten in eine Plank-Position und machst einen Liegestütz. Anschließend springst du wieder nach vorne in die Kniebeuge und führst einen Strecksprung durch. 15 Wiederholungen sind definitiv eine bitterböse Strafe für ein nicht bezwungenes Hindernis.

Zwar müssen die Elite-Athleten keine zusätzlichen Kraftübungen absolvieren, stattdessen aber eine Strafrunde laufen. Grundsätzlich ist das absichtliche Meiden eines Hindernisses beim OCR nicht verboten, aber unter echten OCR-Athleten ziemlich verpönt. Sich durch Schlammgruben kämpfen, gegenseitig über meterhohe Holzmauern hieven und bäuchlings unter Stacheldraht hindurchrobben – bei all den ganzen Hindernissen haben nicht nur die Athleten ihren Spaß. Auch die Zuschauer sind unterhalten. Schließlich verfolgen Fans einen Hindernislauf nicht nur jubelnd, anfeuernd und motivierend, sondern auch mit ein wenig Schadenfreude.

OCR – Kein Geld für Professionalisierung

Eigentlich ist es die perfekte Mischung, um ein Sport-Event medial zu vermarkten. Sicher, wenn ein Kipchoge seinen Pacern ab der Hälfte davonrennt und einen Marathon in einer neuen Weltbestzeit beendet, ist das auch spannend. Doch ehrlicherweise erscheint ein Hindernislauf deutlich unterhaltsamer. Zudem könnte man sicherlich auch wesentlich mehr Athleten vom OCR überzeugen, wenn die Hindernisläufe im TV oder im Internet-Stream gezeigt würden. Allerdings scheitert eine Übertragung an den logistischen Herausforderungen: Da Hindernisläufe immer auf wechselnden Untergründen stattfinden, braucht es schon ein Motorcross oder ein Quad, um die Führungsgruppe mit einer Kamera begleiten zu können. Die Laufstrecke ist in aller Regel allerdings nicht breit genug, um die Hindernisläufer zu verfolgen. Für Luftaufnahmen käme auch nur ein kostspieliger Helikopter in Frage, da die Akkulaufzeit von Drohnen derzeit nicht ausreicht.

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Doch es gibt auch andere Wege, um den Bekanntheitsgrad einer Sportart zu erhöhen. Sicher, es ist etwas hochgegriffen, aber OCR könnte über die Olympischen Spiele an Aufmerksamkeit gewinnen. Wer jedoch eine offizielle Verbandsstruktur für das Obstacle Course Racing sucht, verliert allerdings schnell den Überblick. Aktuell gibt es zwei konkurrierende Weltmeisterschaften, die von zwei unterschiedlichen Verbänden ausgetragen werden. Mit der OCRA – der Obstacle Course Racing Association Germany, hat man versucht, ein einheitliches Regelwerk für Hindernisläufe zu schaffen. Hier hat sich aber bislang noch nichts durchgesetzt. Für die verschiedenen OCR-Veranstaltungen gelten im Zweifel dann also unterschiedliche Regeln.

Aber auch bei der Professionalisierung des OCR stößt man an seine Grenzen: Ein Großteil der Kosten für die „XLETIX Challenge“ wird von der breiten Masse getragen, also die Teilnehmer. Deshalb versucht jede Hindernislaufserie ein eigenes Elite-Konzept in den Plan für den Breitensport zu integrieren. Leider fehlen aber die Finanzierungsmöglichkeiten für Läufe, an denen ausschließlich Profisportler teilnehmen können. Ansonsten wäre die Professionalisierung schon deutlich vorangeschritten.

Lauflust statt Leistungsdruck

Doch von all diesen Komplikationen hinter den Kulissen bekommen die Teilnehmer nichts mit. Hindernisläufe boomen – über die Jahre hinweg haben immer mehr Läufer an einzelnen Veranstaltungen oder Laufserien wie der „XLETIX Challenge“ teilgenommen. Obgleich das Konzept vom Obstacle Course Racing schon über 30 Jahre alt ist, entfacht der Trend jetzt erneut. Die Lust auf Abwechslung und der Teamgedanke motiviert gerade Laufanfänger sich für ein OCR anzumelden. Denn im Gegensatz zu klassischen Lauf-Events starten die Teilnehmer bei Hindernisläufen meist komplett ohne Leistungsdruck. Das beweisen auch die Ausstiegsraten der „XLETIX Challenge“: Die DNF-Quote liegt derzeit bei unter drei Prozent.

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Da die Teilnehmer ohne Zeitmessung laufen, haben die Athleten auch keinen großen Leistungsdruck. Außerdem können die OCR-Sportler, die beispielsweise die längste Strecke gebucht hatten, problemlos nach dem Beenden einer „Unterdistanz“ aussteigen. Sie sind trotzdem erfolgreiche Finisher.

Über Gummireifen klettern, unter Stacheldrahtzäunen hindurchkriechen oder sich kopfüber in ein Becken voller Eiswürfel stürzen. Fremden Läufer über Holzwände helfen und auch mal seine eigenen Ängste überwinden. Die dreckverschmierte Startnummer voller Stolz hinter dem Schreibtisch an die Wand hängen und aufgeschürfte Knie schamlos zur Schau stellen: OCR ist viel mehr, als der Spaß an der Bewegung. Obstacle Course Racing ist die Flucht aus einem langweiligen Alltag, der Ausbruch aus der eigenen Komfortzone und vor allem eins: das Laufen in einem Team voller abenteuerlustigen Freizeithelden.(Text: Robin Siegert)

Weitere Reportagen findet ihr hier.

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